Im Ringen um Geldwertstabilität hat die Bundesbank Auseinandersetzungen nie gescheut. Eine Tradition, die sie auch im Streit um die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank fortsetzt. Doch sie ist mit ihrer Position in der Minderheit.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Sechzig Jahre sind heutzutage kein Alter. Dass die Bundesbank diesen Geburtstag noch erlebt, hätten viele Beobachter nach der Einführung des Euro freilich nicht erwartet. „Warum löst man sie nicht einfach auf?“, zitierte Bundesbankchef Jens Weidmann kürzlich einen Kommentar der „Bild“-Zeitung von 1997.

 

Tatsächlich wurde es nach der Gründung der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Zeit lang recht still um die Bundesbank. Die Eurokrise hat ihr jedoch neue Aufmerksamkeit beschert: Der Rücktritt von Bundesbankchef Axel Weber 2011 offenbarte einen Konflikt mit der EZB, der bis heute nicht gelöst ist. Sein Nachfolger Weidmann warnt praktisch im Wochentakt vor den Nebenwirkungen der lockeren Geldpolitik.

Streitbar war die Bundesbank immer. Schon ihre Vorgängerin, die Bank deutscher Länder, brachte in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Bundeskanzler Konrad Adenauer gegen sich auf. Dieser äußerte laut Kabinettsprotokollen noch die Erwartung, die Notenbank müsse „ihre Politik mit der Politik der Bundesregierung abstimmen“.

Gesetzlich garantierte Unabhängigkeit

Doch mit dieser Vorstellung konnte sich Adenauer nicht durchsetzen: Am 26. Juli 1957 verabschiedete der Bundestag das Gesetz über die Deutsche Bundesbank, mit dem der neuen Institution Unabhängigkeit zugesichert wurde. Ein Privileg, von dem die Bundesbank immer wieder Gebrauch machte. Das musste Ende der 90er Jahre auch Theo Waigel erleben, dessen Forderung nach einer Neubewertung der Goldreserven der Bundesbank am Widerstand des damaligen Präsidenten Hans Tietmeyer scheiterte. Waigel hatte sich von einer marktnäheren Bewertung des Goldschatzes höhere Ausschüttungen für den Bundeshaushalt erhofft.

In der Öffentlichkeit stärkten diese Auseinandersetzungen den Ruf der Bundesbank als unbestechliche Hüterin einer harten D-Mark. „Dabei hat die Bundesbank mit kräftigen Zinserhöhungen mehrfach zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit beigetragen“, sagt Rüdiger Pohl. Der emeritierte Professor und ehemalige Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle beobachtet die Geldpolitik seit Jahrzehnten. „Die Kosten ihrer Stabilitätspolitik sind der Bundesbank erstaunlicherweise nie übel genommen worden.“

Weidmanns Gegner sind in der Mehrheit

Auch der aktuelle Bundesbankchef Weidmann bekommt für seinen Widerstand gegen EZB-Präsident Mario Draghi viel Beifall – in Deutschland. Innerhalb des EZB-Rats, in dem neben dem Direktorium um Draghi die Notenbankchefs der 19 Eurostaaten vertreten sind, hat Weidmann nur wenige Unterstützer.

Das liegt wohl daran, dass viele Euroländer wirtschaftlich und finanziell weniger gut dastehen als die Bundesrepublik. Ihnen hilft es, wenn die EZB das Geld billig hält. Neben dem Leitzins von null trägt dazu vor allem der Kauf von Staatsanleihen durch die Notenbank bei. „Den meisten sind die Anleihekäufe angenehm, weil sie die Zinslast ihrer Heimatländer lindern“, sagt Peter Spahn, Professor für Volkswirtschaft an der Uni Hohenheim.

Spahn hielte es deshalb für angebracht, den Einfluss der Bundesbank im EZB-Rat zu stärken. Derzeit hat Weidmann in dem Gremium nur eine Stimme, genau wie die Notenbankchefs aus Kleinstaaten wie Malta oder Luxemburg. Gleichzeitig stellt die Bundesbank aber ein Viertel des Grundkapitals der EZB.

Umstrittenes Abstimmungssystem

Eine Gewichtung der Stimmrechte gemäß dem Kapitalschlüssel wäre nach Einschätzung Spahns wünschenswert, aber politisch kaum durchsetzbar: „Das gäbe einen Riesenärger.“ Außerdem würde eine Änderung der Stimmgewichte für die aktuelle Auseinandersetzung wenig bringen: „Nach Deutschland sind Frankreich und Italien die größten Eurostaaten. Beide sind hoch verschuldet und verfolgen damit ähnliche Interessen – dagegen könnte Deutschland ohnehin nichts ausrichten.“

Experte befürchtet Eskalation des Streits nach Italien-Wahl

Auch Hans Peter Grüner, VWL-Professor an der Universität Mannheim, beobachtet den Streit über die Staatsanleihekäufe mit Sorge. Er offenbare grundlegende Differenzen darüber, was eigentlich der Auftrag der Zentralbank sei und welche Instrumente sie dafür nutzen könne.

Existenzbedrohend könnte dieser Konflikt nach der Parlamentswahl 2018 in Italien werden, fürchtet Grüner: „Man stelle sich vor, die Italiener wählen eine Regierung, die sich überhaupt nicht mehr an europäische Regeln halten will. Ähnlich wie 2014 in Griechenland könnte es dann zu einer massiven Kapitalflucht kommen. Die EZB stünde dann vor der Entscheidung, ob sie zur Stabilisierung der italienischen Banken immer noch mehr Staatsanleihen kaufen soll, auch wenn die Politiker Reformen verweigern.“ Die entscheidende Frage sei nicht, ob Anleihekäufe überhaupt getätigt würden, sondern unter welchen Umständen und in welchem Ausmaß. Hierzu müsse der EZB-Rat einen Grundkonsens erzielen, denn: „Die neue italienische Regierung wird 2019 mit einem neuen EZB-Präsidenten zusammentreffen. Für den Tag sollte schon klar sein, was zu erwarten ist.“

Debatte über Draghi-Nachfolge „verfrüht“

Als möglicher Kandidat für den EZB-Chefsessel wird auch der Bundesbankpräsident genannt. Professor Spahn sieht allerdings keine Gewähr dafür, dass Weidmann die europäische Geldpolitik auf Bundesbanklinie bringen könnte: „Ob er die Statur dafür hat, kann ich nicht einschätzen.“ Ohnehin komme die Diskussion über die Nachfolge Draghis, dessen Amtszeit Ende Oktober 2019 ausläuft, „viel zu früh“.

So sieht das übrigens auch Weidmann selbst: „Diese Diskussion jetzt zu führen beschädigt nicht nur Mario Draghi, sondern auch jeden, der da genannt wird“, sagte er Anfang Juli.