Die CDU und ihr neues Programm Von Merkel emanzipiert
Die CDU beschließt ihr neues Programm – ein Meilenstein auf dem Weg zurück an die Macht, analysiert StZ-Autor Armin Käfer.
Die CDU beschließt ihr neues Programm – ein Meilenstein auf dem Weg zurück an die Macht, analysiert StZ-Autor Armin Käfer.
In spätestens zwei Tagen hat die CDU einen Katalog von Gründen, warum sie von 2025 an wieder das Land regieren könnte. Das ist weder illusionär noch vermessen. In aktuellen Umfragen liegen die Christdemokraten mit Abstand vor der Konkurrenz. Wenn sie sich keine Spionage-Affären wie die Herrschaften im rechten Abseits leisten oder sich bei der Kür eines Kanzlerkandidaten wie beim letzten Mal selbst ins Knie schießen, haben sie beste Aussichten auf eine Rückkehr an die Macht.
Das neue Grundsatzprogramm, über das bis Mittwoch ein Parteitag in Berlin zu befinden hat, ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg dorthin. Eine programmatische Generalsanierung war unerlässlich, da Altkanzlerin Angela Merkel ihre Partei in die seichten Gewässer einer sich mal bei den Grünen, mal bei der SPD anbiedernden Beliebigkeit manövriert hatte. Zu Merkels Zeit hatte die CDU ein Maximum an Unkenntlichkeit erreicht. Zwischenzeitlich hievten die Unionisten nach zwei Fehlversuchen den maximal anders positionierten Friedrich Merz auf den Chefposten. Jetzt emanzipieren sie sich auch inhaltlich von Merkel. Die glänzt bei diesem wegweisenden Parteitag ohnehin durch Absenz. Das spricht für sich – und gewährleistet, dass auch jene die Entfremdung nicht ignorieren können, die sich nach Merkels Politik zurücksehnen.
Das schwarze Grundsatzprogramm 4.0 – es ist das vierte seit Bestehen der Bundesrepublik – setzt neue Akzente. Die Merz-CDU füllt damit das Vakuum zwischen dem, was bis vor Kurzem noch für den grün und rot schimmernden Mainstream gehalten wurde, und dem bräunlichen Gewölk von Intoleranz, Vorurteilen und Fremdenhass, wofür sich viele Wutbürger begeistern. Es handelt sich keineswegs um ein durchweg konservatives Manifest, auch wenn es mit konservativ anmutenden Triggerphrasen provoziert.
Dazu zählt die Leitkultur, eines der Wasserzeichen, die Merz dem Entwurf eingeprägt hat. Letztlich geht es dabei um identitäre Fragen. Die CDU stellt sie freilich anders und hat andere Antworten parat als links der Mitte. Sie buchstabiert auch die Sozialpolitik völlig anders als die Ampelmehrheit, knüpft dabei an die Formel einer der erfolgreichsten Sozialreformen der SPD an: fördern und fordern – allerdings soll das Fordern künftig an erster Stelle stehen. Ihr Wirtschaftsprogramm mutet liberaler an als die real existierende Regierungspolitik der FDP.
Das Kapitel der Flüchtlingspolitik ist komplett entmerkelt. Die CDU will das Asylrecht nicht aushebeln, aber vom Kopf auf die Füße stellen – mehr auf Kontrolle setzen statt auf offene Grenzen. Ob sich die Kontrolle aber an Drittstaaten outsourcen lässt, bleibt so ungewiss wie in den eigenen Reihen umstritten. Der Entwurfstext liest sich hier passagenweise wie ein Gegenentwurf zum Denken der ehemaligen Chefin.
Das neue CDU-Programm offeriert Wählern eine Alternative, die der Ampel überdrüssig sind. Die christdemokratische Alternative ist im Unterschied zur so firmierenden Partei aber seriös und verfassungstreu. Das ist eine notwendige Voraussetzung, um wieder regierungsfähig zu erscheinen – aber keine hinreichende, um es tatsächlich zu werden. Dafür wird entscheidend sein, mit wem an der Spitze die Union regieren will und mit wem sie sich dazu verbünden würde. Über die Linke zu reden, als handle es sich um einen stalinistischen Traditionsverein, ist weltfremd. Das gilt auch für die Verteufelung der Grünen. Schon bei den Landtagswahlen im Spätsommer wird sich zeigen, ob der Union wirklich zuzutrauen ist, den demokratieschädlichen Zersetzungstendenzen von rechts Paroli zu bieten.