Öffentliches Training, Besuch einer Schule, Verhaltenskodex für die Spieler: Nach dem völlig missratenen WM-Sommer versucht die DFB-Auswahl Sympathien zurückzugewinnen. Die Vorgehensweise findet unser Redakteur Marco Seliger ziemlich effekthascherisch.

Sport: Marco Seliger (sem)

Leipzig - Oha, hört, hört! Die Spieler sollen während des Essens miteinander sprechen und nicht ins Handy schauen. Und: sie sollen keine Cliquen bilden und auch mal mit einem Kollegen sprechen, den sie noch nicht so gut kennen.

 

Nein, dieser so genannte Verhaltenskodex wurde nun in Leipzig nicht für die D-Jugend der örtlichen Clubs von Lokomotive oder RB ausgerufen, sondern für erwachsene Männer – genauer gesagt: für die besten Kicker, die dieses Land gerade zu bieten hat.

Arrogant und abgehoben – so präsentierte sich die Nationalelf bei der WM in Russland

Wenn solche Selbstverständlichkeiten eigens betont und eingefordert werden müssen, lässt das meist tief blicken. Die Fußball-Nationalelf tut ja gerade alles dafür, um irgendwie wieder gut anzukommen, nachdem sie sich im desaströsen WM-Sommer noch als abgehobenes Konstrukt präsentiert hatte. Völlig entfremdet war die Mannschaft von der Basis. Wir sind ja die Weltmeister, uns kann keiner was – so arrogant und abgehoben präsentierte sich der DFB-Tross mit dem Bundestrainer Joachim Löw vorneweg.

Der vor dem Spiel gegen Russland via „Sport-Bild“ lancierte Verhaltenskodex soll der Öffentlichkeit nun zeigen, dass man wieder bodenständiger werden will, und sei es nur durch Handyverbote. Ziemlich effekthascherisch kommt das daher – auch, weil man es in einer Gruppe erwachsener Menschen eigentlich nicht extra einfordern sollte, dass jeder zumindest dann mal sein Handy weglegt, wenn man zusammen etwas isst.

Unterkunft in der Sportschule statt im Luxushotel

Der DFB-Tross tut gerade alles, um nach außen wieder geerdeter zu wirken – in dieses Bild passt es auch, dass die Reisegruppe vor dem Spiel am Montag in Gelsenkirchen gegen die Niederlande im schlichten Sportzentrum Kaiserau wohnen wird. Und nicht wie sonst üblich im Luxushotel.

Und, na klar, auch Fannähe soll plötzlich wieder gelebt werden. Erst eine öffentliche Einheit in Berlin im Oktober, nun ein Schulbesuch in Leipzig sowie eine Stippvisite bei der Jugend des SV Lindenau in der Stadt mit Fragerunden, Selfies und Autogrammen. Die Nationalspieler sind für die Basis, für die Jugend zumindest an ausgewählten Tagen wieder greifbar – auch das ist unter normalen Umständen eine Selbstverständlichkeit.

Die Normalität wird zum Besonderen stilisiert

Wer aber wie bisher in einer Blase lebte und abgeschottet wurde wie der Papst auf Dienstreise, muss diese Blase nun eben laut platzen lassen und die Normalität zum Besonderen stilisieren. Der DFB schmückt sich mit Selbstverständlichkeiten – Willkommen zurück auf dem Planeten Erde, liebe Nationalelf!