In Berlin beginnt parteiübergreifend das große Zittern. Mit Bangen blicken die Außenexperten in Fraktionen und Regierung über den Atlantik. Die Sorge wächst, dass man es am Ende doch mit Donald Trump als US-Präsident zu tun bekommt.

Berlin - In Berlin beginnt parteiübergreifend das große Zittern. Mit Bangen blicken die Außenexperten in Fraktionen und Regierung über den Atlantik, wo im US-Wahlkampf die Umfragewerte von Hillary Clinton wieder eingebrochen sind, seit das FBI über neue E-Mail-Schlampereien der ehemaligen Außenministerin berichtete. Die Sorge wächst, dass man es am Ende doch mit Donald Trump als US-Präsident zu tun bekommt.

 

Nur oberflächliches Wissen vorhanden

Natürlich hat die Bundesregierung versucht, sich auch auf Trump vorzubereiten - soweit man sich auf einen unberechenbaren Mann wie ihn vorbereiten kann. In Regierungskreisen ist zu hören, dass der Botschafter in Washington, Peter Wittig, zum Trump-Lager Kontakt aufgenommen hat. Kanzleramt und Auswärtiges Amt nutzten alle Kanäle, um zu erkunden, welche Partner auf Arbeitsebene für den Fall der Fälle nützlich sein könnten. Was man ahnte, wurde dabei Gewissheit. Mit Blick auf Deutschland und Europa sei im Trump-Lager „nur sehr oberflächliches Wissen vorhanden“, heißt es. Außerdem weiß man nicht so recht, welche Gespräche überhaupt den Aufwand wert sind, geführt zu werden. „Es ist im Trump-Lager nicht klar, wer was zu sagen hat und vom wem er sich überhaupt etwas sagen lässt“, heißt es in diplomatischen Kreisen. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niels Annen, der von 2010 bis 2011 beim German Marshall Fund in Washington gearbeitet hat, erkennt darin - aus der Perspektive des Republikaners betrachtet - sogar eine gewisse Logik: „Trump hat die Erfahrung gemacht, dass er bei seinen Anhängern immer dann erfolgreich war, wenn er sich gegen seine Berater gestellt hat. Weshalb sollte er deshalb an dieser Strategie etwas ändern?“

Wirre außenpolitische Signale

Den Regierungsstrategen macht außerdem schwer zu schaffen, dass die wirren außenpolitischen Signale, die Trump aussendet, im Falle einer Konkretisierung verheerende Folgen hätten und zudem völlig widersprüchlich sind. An einem Tag stelle Trump aus Kostengründen die Nato infrage, am anderen wolle er den IS niederbomben, „da passt nichts zusammen“, heißt es in Berlin.

Obwohl die Präferenzen von Kanzlerin Angela Merkel bei diesem Showdown auf der Hand liegen, hat sie sich im US-Wahlkampf zurück gehalten. Kein schlechtes Wort über Trump. Anders als Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der Trump einen „Hassprediger“ nannte und sich deshalb nach einem Trump-Sieg überlegen müsste, wie er das wieder einfangen kann. Merkel sei sich darüber im Klaren, dass sie auch einem Trump gegenübertreten müsste, heißt es. Es müsse ja dann trotzdem „irgendwie weitergehen“.

Charakterschwächen ausnutzen

Trump zeigte sich umgekehrt weniger zurückhaltend. Hillary Clinton wolle „die Angela Merkel Amerikas werden“, ätzte Trump. Ihre Flüchtlingspolitik sei „irrsinnig“ und öffne „radikalislamischem Terrorismus“ in Deutschland Tür und Tor. Merkel sind zwar Machotypen wie Trump zutiefst zuwider. Sie nimmt solche Angriffe aber auch nicht persönlich, sondern will aus Charakterschwächen Nutzen schlagen. Man darf deshalb vermuten, dass sie nach einem Trump-Sieg auf diese Weise versuchen würde, mit ihm politische Geschäfte zu machen.

Selbst bei einem Wahlsieg von Hillary Clinton geht man in deutschen Regierungs- und Fraktionskreisen davon aus, dass Trump die USA weiter aufmischen wird. Man habe es dann mit einer Wahlsiegerin Clinton zu tun, die schwer angeschlagen an den Start geht, heißt es. Das werde die internationale Zusammenarbeit mit Clinton nicht einfacher machen. Was jedoch parteiübergreifend an ihr in Berlin geschätzt wird, ist die außenpolitische Erfahrung und die Berechenbarkeit. Es gibt auf allen Ebenen beste Kontakte. Clinton würde Berlin deshalb nicht überraschen. Das ist viel wert in unsicheren Zeiten.

Ein harter Kurs gegenüber Russland

So sehr Clintons Sieg auch herbeigesehnt werden mag, ihre Politik würde hierzulande nicht in allen Punkten auf Gegenliebe stoßen. Die Demokratin verfügt über hervorragende Drähte zur Generalität, neigt häufiger als Präsident Barack Obama dazu, die militärische Karte zu spielen. In Syrien brachte sie eine Flugverbotszone ins Gespräch. Für Berlin eine „Horrorvorstellung“, weil diese im Ernstfall ja auch gegen russische Jets durchgesetzt werden müsste. Auch im Ukraine-Konflikt könnte Clinton konfrontativer agieren als Obama. Womöglich bringt sie erneut eine Aufrüstung des ukrainischen Militärs ins Spiel. Auch dies eine Vorstellung, die deutschen Regierungsvertretern den Angstschweiß auf die Stirn treibt, weil eine direkte Konfrontation mit Russland die Folge sein könnte. Clinton, die für einen harten Kurs gegenüber Russland steht, stellt außerdem zwar gewiss nicht die Nato in Frage, aber ein stärkeres militärisches Engagement der Europäer, speziell Deutschlands wird sie sicher einfordern. Das aber wäre erstens teuer und zweitens innenpolitisch brisant.