Der Dortmunder Marcel Schmelzer war beim 2:1-Sieg der deutschen Nationalelf in Österreich überfordert. Dennoch darf der Außenverteidiger auf weitere Einsätze im DFB-Team hoffen.

Wien - Schon wieder kommt Marcel Schmelzer kräftig ins Schwitzen. Das Spiel ist längst vorbei, der Dortmunder frisch geduscht, trotzdem rinnen dicke Schweißperlen über sein Gesicht. Diesmal liegt es aber nur an den tropischen Temperaturen in den Katakomben des Wiener Stadions, wo der Verteidiger das 2:1 gegen Österreich analysiert. Und nicht mehr an der Angst, die ihm zuvor auf dem Platz den Schweiß auf die Stirn getrieben hatte.

 

Unter vielen schwachen deutschen Nationalspielern ist Schmelzer am Dienstagabend der mit Abstand schwächste gewesen. Am Gegentreffer trug er, von seinem Vordermann Mario Götze im Stich gelassen, eine erhebliche Teilschuld; und auch ansonsten präsentierte sich der 24-Jährige verzagt im Spiel nach vorne, heillos überfordert in der Defensive. Kurzum: Schmelzer war ein Sicherheitsrisiko. Und so stand am Ende des Abends wieder einmal die Erkenntnis, dass die zweite Außenverteidigerposition neben (dem diesmal ebenfalls sehr fehlerhaften) Philipp Lahm die ganz große Problemzone der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bleibt.

Das Spiel in Österreich sollte der Auftakt von Schmelzers Ära als linker Verteidiger sein. So jedenfalls war es vom Bundestrainer Joachim Löw vorgesehen, der sich dazu entschlossen hat, Lahm dauerhaft nach rechts zu beordern, dorthin also, wo der Kapitän auch beim FC Bayern spielt. Schmelzer, der auch bei seinen bisherigen Einsätzen den Nachweis internationaler Klasse schuldig geblieben war und bei der EM in Polen und der Ukraine keine Minute gespielt hat, sei jetzt reif, um auch in der Nationalmannschaft so selbstbewusst aufzutreten wie bei Borussia Dortmund, hatte Löw gesagt. Und musste erkennen, dass die Dinge so einfach dann doch nicht liegen. „Man sieht ja“, sagt Schmelzer selbst, „dass ich in meinem Verein selbstbewusster bin.“

Das Problem liege in der Ausbildung

Joachim Löw wird die Hoffnung auf eine Leistungsexplosion nicht aufgeben: „Wir werden mit ihm weiterarbeiten, damit er sich auf internationales Niveau entwickelt“, sagt der Bundestrainer und weiß genau, dass ihm kaum etwas anderes übrig bleibt: „Hinten links haben wir nun einmal nicht viele Alternativen.“ Genau genommen gibt es fast keine – und das ist kein neues Phänomen.

Seit vielen Jahren versuchen sich auf dieser Position begabte Bundesligaspieler – und merken schnell, dass die Begabung für die internationaler Bühne nicht ausreicht. Namen wie Tobias Rau, Michael Hartmann, Dennis Aogo oder Marcel Schäfer stehen auf dieser Liste, sie alle hatten eines gemeinsam: höheren Ansprüchen genügten sie nicht. Als Notlösungen sprangen häufig fachfremde Kräfte ein, Jérôme Boateng bei der WM 2010, Holger Badstuber vergangene Woche gegen die Färöer. Beide sind gelernte Innenverteidiger – und vor allem Letzterer verspürt wenig Lust, zur Not auf den Außen auszuhelfen.

Das Problem liege in der Ausbildung – dieser These, die Matthias Sammer in seiner Zeit als DFB-Nachwuchschef entwickelte, hat sich auch Oliver Bierhoff angeschlossen. In der Jugend, sagt der Teammanager, werde oft der Fehler gemacht, dass Außenverteidiger mit besonderem Talent umgehend in die Mitte versetzt würden, wo sie mehr Einfluss auf das Spielgeschehen haben. Die Folge: an ambitionierten jungen Innenverteidigern besteht kein Mangel – dem Leverkusener Philipp Wollscheid (23) oder Matthias Ginter (18) vom SC Freiburg wird eine prächtige Zukunft prophezeit. Außen jedoch rückt wenig bis nichts nach. Die meisten Planstellen hinten links sind in der Bundesliga mit Ausländern besetzt – „und das ist ein Dilemma“, sagt Bierhoff.

Zu lösen ist es auf die Schnelle nicht, weshalb Marcel Schmelzer darauf hoffen darf, weitere Bewährungschancen zu erhalten. „Ich werde auch weiterhin versuchen, mich einzubringen, und gebe nicht auf“, sagt er – und kann sich ein klein wenig damit trösten, dass seine linke Verteidigerposition im nächsten Spiel nicht die einzige Problemzone werden könnte. In Irland nämlich ist Philipp Lahm wegen seiner zweiten gelben Karte gesperrt. Und auch auf rechts kann nicht behauptet werden, dass die Bewerber Schlange stehen.