Die Biathleten wollen beim zweiten Teil des Heim-Weltcups in Oberhof die Scharten auswetzen, die sie beim ersten Teil hinterlassen haben. Vor allem die Frontfrau Denise Herrmann kommt nicht richtig in Schwung.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Oberhof/Stuttgart - Wir wollen voll angreifen.“ Kristian Mehringer ist eigentlich nicht der Mann aus der Abteilung Attacke im Deutschen Skiverband (DSV). Doch in besonderen Zeiten geht der Disziplintrainer der Biathletinnen mutig voran. Alles auf Angriff, wenn im Weltcup die zweite Woche in Oberhof ansteht, die mit dem Sprint der Männer an diesem Mittwoch (14.30 Uhr/ARD) beginnt. Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung, und die Deutschen hatten in der vergangenen Woche weder in der Loipe noch am Schießstand ihre Sahnetage erwischt – erstmals seit 2015 stand beim Heim-Weltcup am Rennsteig niemand aus der deutschen Skijägerzunft auf dem Podest. Arndt Peiffer holte als Zehnter in der Verfolgung den einzigen Top-Ten-Platz in einem Einzelrennen am Grenzadler. „Wir müssen uns jetzt Schritt für Schritt nach vorne arbeiten und in den nächsten Wettkämpfen zeigen, was wir können“, betonte Mehringer.

 

Die deutschen Biathleten können ihn noch, den Zweikampf auf Langlaufskiern und mit Gewehr, dummerweise derzeit allerdings nicht unbedingt in der konstant guten Kombination der beiden Disziplinen. „Wir müssen an unserer Konstanz feilen. Ansonsten müssen wir uns keine Sorgen machen“, urteilt der Bundestrainer Mark Kirchner.

Benedikt Doll fehlen die Körner zur Attacke

Benedikt Doll, auf Platz elf bester Deutscher im Weltcup, zählt eigentlich zu den besten Läufern und war bislang bekannt für seine kämpferischen Schlussrunden, doch dem Schwarzwälder fehlen derzeit die Körner für die Attacke auf den letzten Kilometern. „Ich laufe nicht so, wie ich es kann. An dem harten Birxsteig-Anstieg in Oberhof bilde ich viel Laktat, meine Beine gehen blau, ich kann das noch nicht so gut wegstecken“, sagt der Ex-Weltmeister, „das ist im Moment meine größte Baustelle.“ Starke 87 Prozent Trefferquote sind deshalb keine Garantie mehr für einen Podiumsplatz. Auch Vanessa Hinz (87 Prozent) und Janina Hettich (91 Prozent) sind am Schießstand fast so sicher wie Robin Hood mit Pfeil und Bogen, doch Einzel-Vizeweltmeisterin Hinz und die 24 Jahre alte Schwarzwälderin liegen im Laufen nur knapp über dem Durchschnitt. Arnd Peiffer, oft Mister Zuverlässig, schwächelte in der Mixed-Staffel mit nur vier Treffern bei acht Schuss, und Denise Herrmann ist am Schießstand eine Überraschungstüte. Die Verfolgungsweltmeisterin von Östersund 2019 steht irgendwie exemplarisch für das Dilemma der Deutschen, die entweder gut schießen und mäßig laufen oder oft daneben ballern und dafür in der Loipe Vollgas geben. „Wir verkaufen uns unter Wert, das ist nicht unser Anspruch“, sagt die 32-Jährige stellvertretend für ihre Kolleginnen. Das gilt vor allem für Herrmann selbst, die im Herbst angetreten war, gewichtige Wörtchen mitzureden im sportlichen Streit um den Gesamtweltcup, doch aktuell ist sie lediglich Elfte mit 277 Punkten. Um die enteilte Norwegerin Marte Olsbu Røiseland mit 509 Zählern an der Spitze zu erspähen, benötigt Herrmann bald ein Fernglas. Beste Deutsche ist Franziska Preuß als Siebte (347).

Denise Herrmann bleibt nie fehlerlos

Obwohl Herrmann in der Saisonvorbereitung wichtige Impulse vom neuen Schießtrainer Engelbert Sklorz erhielt, läuft es liegend wie stehend nicht wie gewünscht. Zwar verbesserte sich die Trefferquote um vier Prozentpunkte auf 81 Prozent, das ist aber bloß eine solide Note zwei – Marte Røiseland trifft bei 89 Prozent ihrer Schüsse ins Ziel. Die Bilanz: Die DSV-Frontfrau schoss in elf Einsätzen 32 Fehler und kam in keinem Einzelrennen ungestreift durch. In der Verfolgung in Oberhof waren es sogar sieben Nieten.

Die Wackler im Schießen kann Herrmann nicht mehr mit einer bärenstarken Laufleistung ausbügeln, wie ihr das im vergangenen Winter oft gelang. Die Ex-Langläuferin hat bislang noch keine Laufbestzeit aufgestellt, in dieser Teildisziplin hat sie ihre Vormachtstellung eingebüßt. „Läuferisch bin ich noch nicht in Topform, da muss ich bis zur WM was drauflegen“, gibt sie zu.

Dabei staunten die Trainer bei den Laufbandtests im Herbst über die überragende Fitness der Thüringerin, womöglich hat Herrmann ihre Erwartungen recht hoch angesetzt, was nach Rang zwei im Einzel beim Saisonstart in Kontiolahti Ende November ja auch erfüllbar schien – es blieb das einzige Podium der Saison, es folgten lediglich noch drei Top-Ten-Resultate. „Sie hat sich Anfang der Saison ein bissel unter Druck gesetzt. Daran wird man gemessen, das macht es nicht unbedingt einfacher“, sagt die einstige Biathlon-Königin Laura Dahlmeier, „jeder Wettkampf, in dem sie es nicht zeigen kann, macht es noch schwerer. Sie bräuchte mal einen Befreiungsschlag.“ Der Sprint am Donnerstag (14.30 Uhr/ARD) wäre die nächste Gelegenheit. Auf zum Angriff.