Mit Nadja Lang ist wieder eine Stipendiatin in die Hochwacht der Esslinger Burg gezogen. Die 28-jährige Oberfränkin nimmt für ihre Forschungen die reichlich vorhandene Sakralarchitektur aus dem späten 13. und frühen 14. Jahrhundert ins Visier.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Esslingen - Aller guten Dinge sind – zumindest vorerst einmal – drei. Mit der Kunsthistorikerin Nadja Lang hat dieser Tage eine weitere Hochwachtstipendiatin ihr Arbeits- und Wohndomizil auf der Esslinger Burg bezogen. Zum dritten Mal hintereinander liegt die einstige Freie Reichsstadt damit einer Wissenschaftlerin zu Füßen. Die 28-Jährige befasst sich mit der Sakralarchitektur aus dem späten 13. und frühen 14. Jahrhundert in Südwestdeutschland, wobei es ihr vor allem die schwäbischen Bauten angetan haben. In Esslingen stößt sie also auf einen reichen Fundus.

 

Dass es der jungen Oberfränkin speziell dieser Zeitraum der Gotik angetan hat, macht ein Blick auf ihre bisherigen Forschungen deutlich. Nach ihrem Bachelor an der Uni Tübingen wechselte sie für das Masterstudium nach Heidelberg. Am kunsthistorischen Institut arbeitete sie bei einem Projekt mit, das sich mit den bisher wenig erforschten, hochgotischen Bauteilen des Zisterzienserklosters Maulbronn beschäftigte. Vergleichende Studien mit Esslinger Kirchen drängten sich geradezu auf. In diesem Sommersemester möchte Nadja Lang ihre Masterarbeit, wie sie sagt, „mit einem erweiterten Blick auf die südwestdeutsche Gotik“ abschließen.

Zum fast persönlichen Kennenlernen gibt’s eine Online-Konferenz

Von der Hochwacht, als Lebensmittelpunkt auf Zeit, ist sie begeistert: „Zum Wohnen und Arbeiten ist alles sehr schön eingerichtet“, schwärmt sie. Außerdem seien die Wege kurz, um alles anzuschauen und untersuchen zu können. Genauer gesagt, hat die junge Frau einige Objekte sogar tagtäglich im Blick. „Esslingen als Stadt habe ich zwar schon ein wenig gekannt, aber richtig eintauchen und mit den Menschen in Kontakt kommen, kann und werde ich erst jetzt“, erklärt Lang.

Dass sich dieses „Eintauchen“, das Erleben von Kultur, gesellschaftlichem Leben und Fachwerk-Flair in Corona-Zeiten etwas anders gestaltet, als dies ihre Vorgängerinnen erleben durften, zeigte sich bereits. Die offizielle und persönliche Begrüßung durch Oberbürgermeister Jürgen Zieger erfolgte ausnahmsweise nicht zu Beginn des Stipendiums. Stattdessen gab’s von der Verwaltung ein kleines Willkommenspaket. „Ein fast persönliches Kennenlernen mit einigen wichtigen Akteuren werden wir aber in Kürze als Online-Konferenz nachholen,“ erklärt der Kulturbürgermeister Yalcin Bayraktar.

Die ersten Wochen werden von Internetrecherchen geprägt sein

Inhaltlich unterstützt wird Nadja Lang ebenfalls: vom Esslinger Kulturamt, vom Landesamt für Denkmalpflege sowie durch die städtischen Einrichtungen, die unter anderem für die Baugeschichte der Stadt zuständig sind. Da die Stadtbücherei und das Stadtarchiv bis jetzt aber nur eingeschränkt genutzt werden können, werden die ersten Wochen wohl eher von Internetrecherchen geprägt sein.

Den Fortgang und die Ergebnisse ihrer Arbeit wird Nadja Lang im Laufe ihres Hochwachtstipendiums dennoch präsentieren. „Wir hoffen sehr, dass es bald wieder möglich sein wird, kleinere Veranstaltungen durchzuführen, damit die Arbeit unserer Stipendiatin allen Interessierten zugänglich gemacht werden kann“, sagt die Kulturamtsleiterin Alexa Heyder.

Dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine Heimat bieten

Um die Hochwacht auf der Esslinger Burg nach dem Tod des Malers Heribert Glatzel, der dort sein Atelier hatte, wieder einer Nutzung zuzuführen, kam die Idee auf, dort dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine Heimat zu bieten. Für jeweils ein halbes Jahr sollten junge Männer und Frauen, die sich mit Architekturgeschichte, Denkmal- und Bauforschung, Restaurierung, Mittelalterarchäologie, Stadtforschung oder Kunstgeschichte befassen, einen Wohn- und Arbeitsort erhalten. Gepaart mit einem finanziellen Obolus war das Hochwachtstipendium geboren. Unter tatkräftiger Mithilfe der Zukunftsstiftung Heinz Weiler konnte die Stadt das Vorhaben umsetzen.

Erstmals vergeben wurde das Hochwachtstipendium im Jahr 2018 an die Heidelberger Kunsthistorikerin Marlene Kleiner. Im Rahmen ihrer Dissertation wollte sie herausfinden, wie sich frühmittelalterliche Bauten datieren lassen, wenn es dazu weder schriftliche Quellen noch archäologische Befunde gibt. Die Allgäuerin erarbeitete sich für ihre Doktorarbeit deshalb typische bautechnische Kriterien, die sich einer bestimmten Zeit recht präzise zuordnen lassen.

Friederike Fischer, die zweite Hochwachtstipendiatin, widmete sich 2019 hingegen den Kunstschätzen Esslingens. Die Schwäbisch Gmünderin, die sich an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart zur Restauratorin hatte ausbilden lassen, nahm sich der Wand- und Deckenmalereien in der Altstadt an. Sie katalogisierte das umfangreiche Werk von der Ersterwähnung im Jahr 777 bis zum Ende der Reichsstadtzeit 1802. Außerdem erfasste Friederike Fischer den Zustand der Gemälde, die angewendete Maltechnik und nahm eine grobe zeitliche Einordnung vor.