Spenden und engagieren ja – aber nur für die „richtigen“ Organisationen. Marco Selb ist Teil einer neuen Bewegung in Stuttgart: den effektiven Altruisten.

Stuttgart - Wenn der Stuttgarter Marco Selb von seinem früheren Ich spricht, dann nennt er sich einen Straßenaktivisten: Er demonstrierte vor Zirkussen, hielt bunte Schilder in die Luft, verlangte mit lautem Schreien die Freiheit der Tiere, spendete an bekannte Hilfsorganisationen und verteilte Flyer. „Wirklich etwas bewirkt habe ich damit nicht.“ Das frustrierte den 27-Jährigen.

 

Heute ist er ein Effektiver Altruist – einer von ungefähr 1000 in Deutschland. Rationales Denken, Zahlen und Fakten sind für sie Grundvoraussetzung für soziales Engagement. Selb verteilt zwar immer noch Flyer – inzwischen aber nur noch für effektive Organisationen. Der Philosoph Peter Singer überzeugte Selb mit seinem Buch „Leben retten!“, Effektiver Altruist zu werden. Singer gehört zu den bekanntesten Befürwortern dieser Bewegung. In einem Vortrag sagt er: „Die Ausbildung eines Blindenhundes kostet 40 000 Dollar. Jeder von Ihnen würde sagen, dass das gut angelegtes Geld ist. Mit demselben Geld könnte man aber auch 400 bis 2000 Leute in Entwicklungsländern ihr Augenlicht zurückgeben.“ Dies ist nur eines seiner provokanten Fallbeispiele. Die Leute sollten ihm zufolge dorthin spenden, wo es den größeren „Impact“ gibt, also mehr Menschen geholfen wird, selbst wenn das Herz etwas anderes sagt.

Kritiker sagen, sie spielen Gott

Verschiedene Plattformen, wie zum Beispiel Give well oder The life you can save, geben Empfehlungen ab, welche Organisationen am effektivsten sind. Sie sollen den Spendern Orientierung geben, wie viele Leben sie mit ihrem Geld retten können.

Nicht jeder ist begeistert von dieser Philosophie. Kritiker bemängeln, dass Effektive Altruisten Leben gegeneinander aufwiegen, dass sie selbst Gott spielen würden und entscheiden, wer es wert ist, zu leben. Es wirkt auf den ersten Blick kalt und berechnend – dabei sei ihnen nur wichtig, möglichst vielen zu helfen, so Marco Selb: „Am liebsten würde ich alle Menschen und Tieren dieser Welt retten, aber ich muss Prioritäten setzen. Ich habe nur eine begrenzte Anzahl an Zeit und Geld.“ Mehr verdienen bedeute gleichzeitig, mehr helfen zu können. Deswegen arbeite Selb als Elektroingenieur und nicht in einem sozialen Beruf oder bei einer Hilfsorganisation. Wie viele andere Effektive Altruisten spendet auch er mindestens 10 Prozent seines Einkommens.

Sie treffen sich regelmäßig

In Stuttgart gibt es bisher fünf Kernmitglieder. Diese Lokalgruppe ist eine von 32 aktiven Lokalgruppen im deutschsprachigem Raum. Durch regelmäßige Treffen und Vorträge werden es aber immer mehr. Am letzten Treffen in Stuttgart nahmen zwölf Effektive Altruisten teil, die über Politik, philosophische Ansätze, Religion und ethnische Grundsätze diskutierten. Es waren alle Akademiker und bis auf eine Frau alle aus dem Feld der Naturwissenschaften. „Bei uns ist aber jeder willkommen, egal wie alt er ist, was er beruflich macht oder wie viel Geld er spenden kann“, sagt Selb. „50 Euro an die richtige Organisation genügen manchmal schon.“

Das nächste Treffen ist am Sonntag, 14. Januar, im Dean & David in der Calwer Straße 60 in Stuttgart. Das Treffen fängt um 17 Uhr an.