Der Schulanfang zählt zu den einschneidenden Lebensereignissen. Doch bevor es richtig los geht, wird ausgiebig gefeiert. Der Trend zum Event wird bei Familien immer größer. Pädagogen sehen das kritisch. Unsere Kommentatorin ebenfalls.

Stuttgart - Am 10. September beginnt die Schule und für rund 90 000 Erstklässler in Baden-Württemberg der Ernst des Lebens. Die Einschulung wird von Familien zunehmend groß gefeiert. Den Trend den Tag in aufwendigem Rahmen, etwa mit professionellem Animationsprogramm oder gar einem Restaurantbesuch mit Erstklässler-Buffet zu zelebrieren, beobachten Pädagogen mit gemischten Gefühlen. Laut Michael Gomolzig, Sprecher des Verbands Bildung und Erziehung Baden-Württemberg, könne ein großer Druck auf die Kinder ausgeübt werden, wenn dem Tag ein so hoher Stellenwert beigemessen wird. „Lehrer würden sich darüber freuen, wenn das Interesse am Kind gleichmäßig über die künftigen Schuljahre verteilt wird und es verlässlich im Alltag begleitet wird.“

 

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Ohne selbst gebastelte Schultüte geht heute fast nichts mehr. Das ist nicht etwa einem Spar-Trend geschuldet, sondern eher dem Massenphänomen Homemade, also dem Trend zum Selbstgemachten aus ethischen, ökologischen und konsumkritischen Gründen. Und es ist der daraus resultierenden Bewertung mancher wohlmeinender Eltern geschuldet, dass der, der eine Schultüte kauft, nicht genug Zeit und Liebe in sein Kind investiert. Doch die Schultüte ist nur ein Punkt – Eltern stecken immer mehr Geld und Zeit in Partys für die Kleinen, die Einschulungsfeste werden immer pompöser und aufwendiger. Ganz nach dem Motto: Je toller der Tag fürs Kind, desto mehr zeigen Eltern, wie wichtig sie es nehmen.

Professionell organisierte Star-Wars-Partys

Doch das ist zu kurz gegriffen, schließlich beginnt mit dem Tag der Einschulung der Ernst des Lebens, und nicht wenigen Kindern ist dabei weniger spaßig als mulmig zumute. Den Ball flach zu halten, anstatt den Erwartungsdruck maximal hochzuschrauben wäre vermutlich – wie so oft im Familienalltag und bei der Erziehung – die Maßnahme der Wahl.

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Auch Kindergeburtstage sind längst keine beschaulichen Feiern mehr, bei denen Topfschlagen oder die Schatzsuche die Höhepunkte sind. Bei den einen kommt ein Zauberer, bei anderen geht es auf Expedition ins Naturkundemuseum, die Nächsten feiern eine professionell organisierte „Star Wars“-Party. Doch wer seinen Kindern immer mehr Programm anbietet, muss sich nicht wundern, wenn es ihnen womöglich an Kreativität mangelt oder sie mit Langeweile nicht umgehen können. Abgesehen davon, dass die besten Partys und das tollste Unterhaltungsprogramm nicht kompensieren können, was Kinder in der Schule kontinuierlich von ihren Eltern brauchen: Zeit, Geduld, Begleitung und Beistand.

simone.hoehn@stzn.de