Wann wandelte sich der Wolf vom gefährlichen Rivalen zum treuen Begleiter? Und vor allem: Entstand diese Entwicklung in Europa oder Asein? Das haben nun britische Forscher versucht herauszufinden.

Leipzig - Wer mit dem besten Freund am Abend einen Spaziergang macht, wird mit einem eifrigen Schwanzwedeln und treuherzig blickenden Hundeaugen belohnt. So besiegelt das Tier die enge Partnerschaft mit seinem Boss – und das am besten mehrmals täglich.

 

Schließlich geht es um die wohl älteste und obendrein um die ungewöhnlichste Beziehung zwischen Mensch und Tier. Mit den Wölfen konkurrierten die Menschen der Steinzeit dagegen nicht nur um die gleichen Nahrungsressourcen, beide waren zusätzlich auch noch sehr gefährliche Feinde. Ausgerechnet diese beiden erbitterten Konkurrenten aber schlossen einen Freundschaftsvertrag, der seit mindestens 15 000 Jahren jeden Tag erneuert wird.

In einem Steinbruch bei Bonn fand man einen Steinzeit-Hund begraben

Schon lange rätseln Forscher, wo und wann dieser Pakt zustande kam. Jetzt bringen Laurent Frantz und Greger Larson von der Universität im englischen Oxford, Daniel Bradley vom Trinity College im irischen Dublin und eine Reihe weiterer Kollegen mit Analysen des Erbguts in der Zeitschrift Science (Band 352, Seite 1228) ein wenig Licht in das Dunkel: „Bisher schlossen unsere Kollegen aus ähnlichen Untersuchungen, dass der Hund nur einmal domestiziert wurde“, erklärt Angela Perri vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.

Allerdings fanden sich bisher keine brauchbaren Hinweise, wann und wo die einstigen Feinde ihre Freundschaft schlossen. Da stützten sich die Forscher eher auf die Archäologie. So entdeckten Arbeiter 1914 in einem Steinbruch im heutigen Bonner Stadtteil Oberkassel ein Doppelgrab, in dem vor mehr als 14 000 Jahren eine etwa 25-jährige zierliche Frau und ein etwa 40- bis 50-jähriger kräftig gebauter Mann gemeinsam mit vielen Grabbeigaben bestattet worden waren. Im gleichen Grab lag außerdem ein Tier, das Forscher eindeutig als Hund identifizierten. Da die Landwirtschaft erst vor 11 000 Jahren erfunden wurde, muss der Hund von Oberkassel zu Steinzeitmenschen gehört haben, die als Jäger und Sammler in Mitteleuropa lebten.

Möglicherweise duldeten die Jäger die zutraulicheren Wölfe in ihrer Nähe

Gejagt wurden damals große Tiere wie Rothirsche und Auerochsen, von denen sich der Clan eine ganze Weile ernähren konnte. Die Menschen hatten sich längst daran gewöhnt, dass Wölfe um das Lager herumstrichen. Diese holten sich manchmal noch die Reste der Beute der Steinzeitmenschen.

Möglicherweise duldeten die Jäger die zutraulicheren Wölfe in ihrer Nähe – und leiteten damit den ersten Schritt zum Hund ein. Vielleicht jagten auch Jägergruppen und Wolfsrudel parallel die gleiche Beute. Dabei entdeckten die Menschen mit ihrem besseren Überblick eine mögliche Beute früher als die Vierbeiner, die wiederum mit ihrem Geruchssinn punkten konnten. Zusammen hatten sie einen größeren Erfolg als jeder für sich allein. Möglich scheint es auch, dass Jäger die Welpen einer verunglückten Wölfin aufzogen. Später hielten die Tiere die Jägergruppe für ihr Rudel und jagten mit ihm gemeinsam.

Die Zähne und Schnauzen der frühen Hunde sehen ein wenig anders als bei Wölfen aus

An der Spitze des Rudels aber stand immer ein Mensch. Der wiederum bekam die besten Stücke der Beute, die Vierbeiner begnügten sich mit dem, was übrig blieb. Die Ernährung bei den Jagdgenossen der Zweibeiner veränderte sich deutlich – und auch deren Körperbau: „So sehen die Zähne der frühen Hunde ein wenig anders als bei Wölfen aus und ihre Schnauze wurde kürzer“, erklärt Angela Perri.

Genau diese Eigenschaften finden sich beim Hund im Grab von Oberkassel. So lange besteht die Partnerschaft zwischen Mensch und Hund also zumindest. Allerdings gibt es auch im Osten Asiens eindeutige Funde von Hunden, die sehr wenige Jahrtausende jünger sind. Laurent Frantz und sein Team untersuchten daraufhin das Erbgut von 59 Hunde-Funden, die vor 14 000 bis 3000 Jahren zwischen Südostasien und Grönland unterwegs waren. Anhand der sogenannten mitochondrilanen DNA kam heraus, dass die Partnerschaft zwischen Wolf und Mensch offensichtlich unabhängig voneinander vollzogen wurde – sowohl in Europa wie auch im Osten Asiens. Dabei gewöhnten sich jeweils unterschiedliche, heute längst ausgestorbene europäische und asiatische Wölfe an die Jäger und Sammler ihrer Region.

Vor 8000 Jahren zogen Hunde in Schweden die Schlitten

Die europäischen Wölfe hatten sich irgendwann vor 20 000 bis 60 000 Jahren vom Rest der Wölfe getrennt und gingen seither eigene Wege. Wie viel Zeit verging, bis sich einzelne Rudel dieser Population den Menschen anschlossen, verrät das Erbgut nicht.

Vor ungefähr 3000 Jahren kamen dann in der Bronzezeit viele Menschen aus dem Osten nach Europa. Die Hunde in ihrer Begleitung paarten sich mit den alteingesessenen Artgenossen und verdrängten diese dann. Heute sind fast nur noch asiatische Hunde übrig. „Schon vorher hatten die Steinzeitmenschen begonnen, Hunde für verschiedene Zwecke zu halten“, sagt die Forscherin Perri. So gab es in einem schwedischen Dorf vor 8000 Jahren bereits sehr große Hunde, die möglicherweise Schlitten zogen. Daneben gab es mittelgroße und kleine Hunde vom Format eines Terriers. Das könnten zum Beispiel Wachhunde gewesen sein, die weniger Futter brauchen als ihre größeren Kollegen, bei einer Gefahr aber genauso lautstark Alarm schlagen können. Die meisten heute bekannten Hunderassen vom Dackel bis zum Bernhardiner dagegen wurden erst in den letzten Jahrhunderten gezüchtet.

Was das Hunde-Erbgut verrät

Mitochondriale DNA:
So nennen Forscher das Erbgut in winzigen Organen in den Zellen, die für die Energieversorgung zuständig sind. Weil jede Zelle sehr viele dieser Mini-Kraftwerke enthält, gibt es relativ große Mengen dieser mDNA, die sich aus nur wenigen Erbeigenschaften aufbaut und einfach analysieren lässt. Auf diese Weise wurden auch die 59 fossilen Hunde vom Team des Forschers Laurent Frantz untersucht. Das komplette Erbgut wurde nur bei einem Hund genau untersucht, der vor 4800 Jahren in Irland verstorben war.

Temperatur und Feuchtigkeit:
Klimatische Faktoren beeinflussen den Abbau des Erbgutes enorm. Je höher Temperatur- und Feuchtigkeitsgrad liegen, umso schneller verschwindet die DNA. Das macht Analysen vor allem in tropischen Regionen schon nach wenigen Jahren sehr schwierig bis unmöglich. Ist das Erbgut wie im Permafrostboden Sibiriens oder bei Gletschermumien eingefroren, sind Analysen noch nach vielen Jahrtausenden möglich.