Das Bündnis zwischen den USA und der EU zeigt tiefe Risse. Das Parlament in Straßburg betont die Gemeinsamkeiten, weiß aber auch, dass sich Europa neu aufstellen muss.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel - Natürlich stehe Europa weiter fest an der Seite der USA. Geradezu beschwörend klingen viele der Redebeiträge im Europäischen Parlament, als es am Dienstag in einer Grundsatzdebatte um die Beziehungen zu der Supermacht auf der anderen Seite des Atlantiks geht. Die USA seien der wichtigste und stärkste Partner, machte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Straßburg deutlich. Das werde auch so bleiben. Der deutsche SPD-Abgeordnete Bernd Lange unterstrich ebenfalls die „gemeinsame Basis“, musste dann aber einräumen, dass „die Flitterwochen“ wohl vorbei seien.

 

Schlechte Luft zwischen USA und EU

Das allerdings ist eine sehr wohlwollende Umschreibung für den Zustand der Beziehungen zwischen der EU und den USA. Denn die Europäer müssen ernüchtert feststellen, dass das politische Interesse Washingtons längst anderen Weltregionen gilt und dies Europa sehr deutlich spüren lässt. Die Enttäuschung darüber ist besonders groß, da nicht wenige in der EU wohl gehofft hatten, dass wieder entspanntere Zeiten einkehren würden, als nach dem polternden Donald Trump der weltoffene Demokrat Joe Biden zum Präsidenten gewählt worden war. Doch auch der agiert offensichtlich im entscheidenden Moment nach dem Motto: America first. So zog Biden die US-Truppen praktisch ohne Absprache mit den Verbündeten EU-Partnern aus Afghanistan zurück. Dann handelte er hinter dem Rücken der EU mit Großbritannien und Australien einen Sicherheitspakt für den Indopazifik aus. Bei dieser Gelegenheit entriss er äußerst rücksichtslos dem Nato-Verbündeten Frankreich einen schon sicher geglaubten U-Boot-Milliardendeal.

Ein „Weckruf“ für die EU

Der neue Sicherheitspakt Im Pazifik sei deutlicher „ein Weckruf“ gewesen, sagte Josep Borrell deshalb in Straßburg. „Wir sollten bereit sein, uns an diese neue Situation anzupassen und unseren Teil der Last zu tragen, um Frieden und Sicherheit in der Welt zu wahren“, erklärte der EU-Außenbeauftragte und forderte, die Autonomie Europas voranzutreiben. Über das Ziel, auf allen Ebenen unabhängiger zu werden, herrscht in der EU große Einigkeit, was das aber konkret heißt, darüber wird vielstimmig gestritten. So erntete der deutsche CDU-Abgeordnete Michael Gahler in Straßburg allgemeine Zustimmung mit seiner Bemerkung, dass Europa erst einmal „seine Hausaufgaben machen“ sollte, um international nicht weiter allenfalls als „hilfsbedürftiger Alliierter“ auftreten zu müssen.

Treffen der Staatschefs in Slowenien

EU-Außenbeauftragte Josep Borrell konnte seine Eindrücke aus dem Parlament nur Stunden später den Staats- und Regierungschefs der Union präsentieren. Denn die trafen sich in Slowenien zu einem informellen Gipfel. Dort stand allerdings nicht nur die ganz große politische Auseinandersetzung mit den USA auf dem Programm. Diskutiert wurde vor allem eine mögliche Erweiterung der Union auf dem Balkan, die angesichts der Streits unter den Staaten dort allerdings im Moment eher unwahrscheinlich erscheint. Spötter erklären angesichts solcher Probleme süffisant, dass die EU doch erst einmal die Verhältnisse im eigenen Haus klären müsse, bevor sie international mehr Verantwortung übernehmen wolle.