Jenseits proeuropäischer Bekenntnisse, die ihnen regelmäßig Applaus einbringen, ist von den beiden proeuropäischen Kanzlerkandidaten lange nicht viel zu hören gewesen – und das ist mindestens genauso interessant. Haben die Bundesbürger nicht das Recht zu erfahren, für welches europapolitische Konzept sie sich mit welchem Kandidaten entscheiden? Wie die politische Union aussehen soll, die dem Euro eines Tages an die Seite gestellt werden soll, damit er alt werden kann? Sollte die Zukunft Europas tatsächlich nicht wichtig genug sein, um den Wählern konkrete Alternativen anzubieten? Ist es nach all den Krisenjahren immer noch so, dass Wahlen über die innenpolitischen Klassiker Arbeit, Bildung, Familie, Rente und Wirtschaft gewonnen werden, weil die mögliche Abgabe nationaler Souveränitätsrechte bei nationalen Wahlen per Definition ein Verliererthema sein muss?

 

Die Kanzlerin hält sich zurück

Europa erfordert Mut. Und wer, wenn nicht zwei tief von Europa überzeugte Kanzlerkandidaten, sollte den Mut aufbringen, die tradierte Form des Wahlkampfs aufzubrechen und klarzumachen, dass es im 18. Jahr des 21. Jahrhunderts nicht mehr nur allein um Deutschland geht, wenn in Deutschland gewählt wird? Es wäre schön, wenn Angela Merkel diesen Mut für eine echte europäische Wahlkampfdebatte aufbrächte. Leider sehen ihre Strategen darin ein unnötiges Risiko, das den schönen Umfragevorsprung schmälern könnte. Und so bittet die Kanzlerin frei nach dem Motto „Merkel wird es wie bisher schon irgendwie richten in der EU“ lieber um eine Art Blankoscheck dafür, weiter die Geschicke Deutschlands und Europas zu lenken und situationsbedingt zu entscheiden. „Wir Europäer müssen unser Schicksal konsequenter als bisher in die eigene Hand nehmen“, sagt Merkel seit einiger Zeit – die Frage nach dem Wie lässt sie unbeantwortet.

Einen einzigen konkreten Spiegelstrich enthält das Europa-Kapitel des CDU-Regierungsprogramms für die Jahre bis 2021: Der Euro-Rettungsschirm ESM soll zu einem eigenen europäischen Währungsfonds ausgebaut werden – Hintergrund ist unter anderem, dass die Griechenland-Ökonomen des Weltwährungsfonds IWF regelmäßig der Unionsposition widersprechen. Sonst bleibt die Zukunft der Währungsunion im CDU-Programm noch vage: „Wir sind bereit, mit der neuen französischen Regierung die Euro-Zone schrittweise weiterzuentwickeln“.