Vierzig Jahre lang hat Diana Nyad von diesem Tag geträumt, jetzt ist es endlich wahr geworden: Die Amerikanerin schwimmt als erster Mensch ohne Haikäfig von Kuba nach Florida – und das mit 64 Jahren.

Key West/Florida - Beinahe 40 Jahre lang hatte Diana Nyad dieses Bild im Kopf, sie nannte es einen Traum, doch es war mehr als das. Es war eine Obsession, eine Fata Morgana. Diese fängt an mit Lichtern am Horizont. Dann geht die Sonne auf, die Lichter verschwinden, es werden Dinge erkennbar, Palmen, Häuser, Menschen. Schließlich weicht das Blau des Ozeans dem Grün des Festlands. Und dann spürt sie Sand unter den Füßen. Sie ist angekommen, am Strand von Key West.

 

An diesem Montag wurde der Traum für Diana Nyad Wirklichkeit. Nach 53 Stunden im Wasser und nach vier Fehlversuchen seit 1978 wurde Diana Nyad der erste Mensch, der ohne schützenden Haikäfig die knapp 170 Kilometer Luftlinie zwischen Kuba und Key West schwimmend zurückgelegt hat. Einen Armzug nach dem anderen, 200 000 Stück, völlig den Elementen ausgeliefert. Und das mit 64 Jahren.

Das Wasser war immer der Ort, an dem sie sich sicher fühlte

Zum ersten Mal hatte Nyad die schier übermenschliche Anstrengung mit 28 Jahren auf sich genommen. Damals war sie eine junge Leistungssportlerin mitgrenzenloser Energie und grenzenlosem Selbstbewusstsein. „Die Kuba-Überquerung ist eine der größten Ausdauerleistungen in der Geschichte der Menschheit“, sagte sie damals. „Aber wenn es irgendjemanden gibt, der das schaffen kann, dann bin ich das.“

Doch der Versuch flößte selbst Diana Nyad Demut ein. Nach 72 Stunden und 122 Kilometer musste sie völlig erschöpft aufgeben. Ihr Kampf gegen Wellen, Strömung und gegen die Ermüdung war hoffnungslos geworden, Nyad war soweit vom Kurs abgetrieben, dass die Küste von Florida unerreichbar wurde. Nyad, die ihr Leben lang geschwommen war, hängte ihren Badeanzug an den Nagel. Sie hielt sich auf dem Fahrrad fit, so wie viele andere. Der Wille, etwas Einzigartiges zu erreichen, etwas, das vor ihr noch niemand gewagt hatte, war vorerst erstorben.

Statt weiter wie besessen durch Meere zu kraulen ging Diana Nyad in sich. Sie hinterfragte ihre Motivation und stellte fest, dass sie versucht hatte, vor etwas wegzuschwimmen, dem sie doch nicht entkommen konnte. Nyad trug eine sexuelle Missbrauchserfahrung aus der Kindheit mit sich herum. „Das Wasser“, schrieb sie in ihren Memoiren, „war immer der einzige Ort, an dem ich mich sicher fühlte“.

30 Jahre dauerte es, bis sie all das verarbeitet hatte. Und am Ende, als der Kopf frei war und sie ihren Frieden gefunden hatte, stellte Nyad fest, dass sie noch immer schwimmen wollte. Nur nicht mehr aus den gleichen Gründen. Es ging nicht mehr darum, vor etwas davonzulaufen. Vielmehr hatte sie das Gefühl, das ihr Leben im Alter von 60 Jahren noch unerfüllt ist, dass da noch etwas kommen muss.

Und dann auch noch Asthma, Schulterschmerzen und Gewitter

Also begann sie wieder zu trainieren, zuerst nur 20 Minuten im örtlichen Hallenbad. Doch Nyad entdeckte schnell wieder ihr altes Feuer, aus 20 Minuten wurden innerhalb von Wochen sechs Stunden. Nach nur zwei Jahren stand sie wieder in Kuba am Ernest Hemingway Pier, fest entschlossen, das zu Ende zu bringen, was sie mehr als 30 Jahre zuvor begonnen hatte. Doch die Überquerung war seit 1978 nicht einfacher geworden. Es hatte seinen Grund, dass in der Zwischenzeit niemand ohne Hilfsmittel die extreme Prüfung auf sich genommen hatte. Selbst unter hartgesottenen Freiwasserschwimmern gilt die Herausforderung als praktisch unmöglich – härter und schwerer als für Bergsteiger eine Everest-Besteigung ohne Sauerstoff.

Und so musste Diana Nyad vor ihrem großen Triumph erneut Demut erfahren. Bei ihrem ersten Versuch, 2010, legten ihr Feuerquallen das Handwerk. Ihr Gift ließ ihre Atmung aussetzen und lähmte sie vorübergehend. Beim zweiten und dritten Versuch, 2011, wurde Nyad von Asthmaanfällen, stechenden Schulterschmerzen, Gewittern und erneuten Quallenattacken gestoppt.

Doch Nyad wollte nicht aufgeben, obwohl sogar ihre Lebensgefährtin Bonnie Stoll sie darum bat, es endlich gut sein zu lassen. „Ich wollte nicht, dass sie sich lächerlich macht. Ich wollte nicht, dass die Leute denken, sie ist verrückt.“

Alle Eventualitäten sollten ausgeschlossen werden

Stoll gab schließlich nach, doch Nyad musste ihr versprechen, dass dies der letzte Versuch ist. Und so nahmen die beiden sich zwei Jahre Zeit, um das Projekt bis ins letzte Detail zu planen. Alle Eventualitäten sollten ausgeschlossen werden. Man baute Sichthilfen für Nyad, damit sie auch im Dunklen auf Kurs bleibt, eine Silikonmaske wurde angefertigt, um Quallenattacken vorzubeugen. Die Begleitboote wurden mit Ultraschall ausgestattet, um Haie fernzuhalten. Beim letzten Versuch war beinahe soviel Hightech im Spiel wie bei Felix Baumgartners Sturz aus dem All.

Trotzdem benötigte Diana Nyad noch Glück, um das Unmögliche zu schaffen. Und das hatte sie diesmal. „Es war, als ob Mutter Natur diesmal gesagt hat, na gut, lassen wir sie halt durch“, sagt Bonnie Stoll. Und so konnte Diana Nyad an diesem Montag endlich jenen Anblick genießen, von dem sie 40 Jahre lang fantasiert hat. Die Wellen wichen, das tiefe Blau des Meeres wurde zum Grün des Festlands. Nyad erkannte einzelne Palmen und dann, endlich nach 53 Stunden, spürte sie Sand unter Füßen.