Unglaubliche 14 Jahre ist es her, dass die Farmer Boys ein Album vorgelegt haben. Dabei prägten die Jungs von 1994 und 2004 die harte Musikwelt wie keine andere Stuttgarter Band. Aber nun ist es endlich soweit: Die Neuerscheinung „Born Again“ ist da – und überzeugt.

Stuttgart - Die ersten Gehversuche des neuen Jahrtausends gehörten einer Band: Mit ihrem dritten Album „The World is Ours“ machten die Stuttgarter Farmer Boys im Sommer 2000 den Sprung vom gerühmten Insider-Tipp zum Global Player in der Musikwelt. Auch dank ihres neuen Labelpartners Motor Music, der sich damals auch noch um die Belange von Rammstein kümmerte, katapultierte sich die Band mit ihrem eigenwilligen Mix aus hartem Heavy Metal und poppiger Sensibilität weltweit in die Schlagzeilen.

 

Ihre Videos liefen in Dauerschleife auf Musiksendern, ihre Tourneen führten sie auch über Europa hinaus. In den USA tourten sie mit den Deftones, hierzulande teilten sie eine Bühne mit Rammstein oder Metallica. Schon Mitte der Neunziger wurde der Fanta-4-Manager Andreas „Bär“ Läsker auf sie aufmerksam – und hatte mal wieder den richtigen Riecher. „Damals sind wir von der Abifeier direkt in den Tourbus gestolpert“, erinnert sich Frontmann Matthias Sayer mit einem seligen Lächeln. Seine warme, volle Stimme war es, die die Farmer Boys von anderen Bands unterschied. „Wir haben uns voller Inbrunst dem Rock‘n‘Roll verschrieben und eine zeitlang alles mitgenommen. Dass es zehn Jahre später dann mal Krisen oder Probleme gibt“, schiebt er nach, „ist ja auch klar.“

Der Kontakt ist nie abgebrochen

Obwohl die Gruppe nie aufgelöst wurde, lag sie auf Eis. Und das sehr, sehr lange. Matthias Sayer entschloss sich doch noch zu einem Studium an der Hochschule der Medien und wanderte in die USA aus, wo er als Filmkomponist für Hans Zimmer („Fluch der Karibik“, „Inception“) arbeitete. Gitarrist Alexander Scholpp, der gemeinsam mit Sayer das Rückgrat der Band bildet, stieg als Live-Gitarrist bei der ehemaligen Nightwish-Sängerin Tarja ein und tourt bis heute an ihrer Seite um die Welt. Dennoch betont Scholpp: „Der Kontakt zwischen uns brach nie ab. Wir wussten immer, dass es irgendwann weitergehen würde.“

Dieses irgendwann ist jetzt. Nachdem die Farmer Boys schon im vergangenen Jahr eine EP veröffentlichten und ein paar Comeback-Konzerte gaben, melden sie sich jetzt mit „Born Again“ zurück. Sogar der Originalbassist Ralf Botzenhart ist wieder dabei, um die Geschichte einer der ungewöhnlichsten Stuttgarter Bands fortzuschreiben. Nun sind die Boys keine jungen Kerle mehr, sondern gestandene Männer, die sich keine Illusionen machen. „Wir haben uns nicht wieder zusammengefunden, um irgendwas von damals fortzuführen“, sagt Scholpp. „Wir haben uns zusammengefunden, um wieder geile Musik zusammen zu machen.“ Sayer nickt: „Wirtschaftliche Gründe oder unser Ego waren nie der Auslöser für das Comeback. Das passierte einfach so.“

Die Resonanz aufs Comeback war gewaltig

Die Gretchenfrage ist natürlich: Hat eine Band wie die Farmer Boys heute überhaupt noch Relevanz? Für die Fans zumindest schon, die Resonanz auf das Comeback war gewaltig. „Es ist schön festzustellen, dass wir eine Lücke hinterlassen haben“, sagt Sayer sichtlich erleichtert. Nach 14 Jahren Pause mit einem Album zurückzukehren, ist auch aus einem anderen Grund eine heikle Angelegenheit – während die Menschen 2004 eifrig CDs kauften und Spotify noch in ferner Zukunft lag, hat sich das Musikbusiness drastisch verändert. Sayer sieht das sportlich: „Druck und Erwartungshaltung sind uns nicht fremd, aber wir verfallen auch keiner Utopie.“ Und letztlich ist ein leidenschaftlicher VfB-Fan wie er ja auch gewöhnt, dass nicht immer alles glatt läuft.

Festhalten kann man indes, dass die Farmer Boys immer noch klingen wie die Farmer Boys und sich keinem hippen Jugendwahn gebeugt haben. Druckvolle Gitarren, opulente Orchestration und Sayers Gesang, den man sich immer noch wunderbar in einer Pop-Band der Achtziger vorstellen könnte: Der charmante Anachronismus von „Born Again“ könnte in der heutigen Rock- und Metal-Welt tatsächlich für ein Aufhorchen sorgen. Eben weil keine andere Band so klingt. „Die Zeiten haben sich geändert, die Metal-Szene auch“, nickt Sayer. „Alles ist heute sehr Lifestyle-orientiert, alle sind tätowiert bis zur Haarwurzel, alles wirkt sehr finster und aggressiv. Ich komme aus einer Zeit, in der das noch anders war. Weniger kalt, weniger hart.“ Er grinst: „Aber vielleicht bin ich auch einfach älter geworden.“

Orchestrale Brillanz deutet in Richtung Filmmusik

Und auch erfahrener. Seine Lehrjahre bei Hans Zimmer mögen sehr hart und fordernd gewesen sein; jetzt kündet die orchestrale Brillanz auf „Born Again“ von seinem gewaltigen Talent als Filmkomponist. „Metal hat Tiefgang und eine gewisse Weite, die es auch in der Klassik gibt“, sagt er. „Das passt gut zusammen.“ Für eine zusätzliche Portion klassische Dramatik sorgt in einigen Stücken der ehemalige Apocalyptica-Cellist Max Lilja. Aufpassen müssen die Farmer Boys immer nur dann, wenn ihre Musik droht, zu opulent, zu bombastisch zu werden. Doch bevor die ganze Sache zu sehr in Richtung Kitsch ausschlägt, pumpt für gewöhnlich ein veritables Metal-Riff von Alex Scholpp frisches Blut in die Songs. „Zwischen uns herrscht eine gesunde Spannung“, sagt Sayer zum Modus operandi innerhalb der Band. „Ich stehe auf Pop und Wave, Alex kommt dann wieder mit Black Sabbath an.“ Genau dieser vermeintliche Gegensatz macht „Born Again“ interessant.