Donald Trump weiß um die Kraft politischer Symbolik. Das Foto, das ihn blutend und die Faust reckend nach dem Anschlag von Butler zeigt, genießt in den USA schon jetzt unter seinen Anhängern ikonischen Status. Dabei hat sich der Ex-Präsident die geballte Faust bei anderen abgeschaut.
„A picture is worth a thousand words“ – Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Bilder sind ein mächtiges politisches Instrument, insbesondere im Social-Media-Zeitalter. Und die Bilder des blutenden und die Faust reckenden Donald Trump nach dem Anschlag von Butler im US-Bundesstaat Pennsylvania könnten ihm womöglich zum Wiedereinzug ins Weiße Haus verhelfen.
Moment für kraftvolle politsche Gestik
Sie zeigen den Ex-Präsidenten als unerschrocken der rohen Gewalt trotzenden Patrioten. US-Kommentatoren attestieren Trump einen ungeheuren politischen Instinkt, der ihn trotz des Schocks die Momente nach dem Anschlag für kraftvolle politische Gestik nutzen ließ.
Denn nachdem er sich vor den Schüssen geduckt hatte, kam Trump mit Hilfe der Sicherheitsbeamten rasch wieder auf die Beine und unter dem Jubel der Menge streckte er kämpferisch die geballte Faust hoch, während ihm das Blut vom angeschossenen Ohr die Wange hinunterlief. Es sind Bilder, die in die Geschichte eingehen und für immer mit Trump verbunden sein werden.
Trump als kraftstrotzender Gegenpol zu schwächelnden Biden
„Er ist nicht aus dem Takt geraten. Ich kann nicht glauben, dass er ein solches Selbstverständnis und Bewusstsein hatte, um seine Kampagne fortzusetzen, während er fortgebracht wurde“, sagt die Historikerin Joan Hoff von der Montana State University über die Momente nach dem Anschlag.
Trump setzte sich dabei auf eine Art in Szene, die ihn als kraftstrotzenden Gegenpol zum schwächelnden Präsidenten Joe Biden erscheinen lässt, der sich seit Wochen mit einer Debatte um seinen offenbar fragilen Gesundheitszustand konfrontiert sieht.
Patriotische Symbolik: Blutender Trump und die Iwo-Jima-Flagge
Unter den Trump-Bildern aus Butler ist es besonders eines, das schon jetzt ikonischen Status erlangt hat: Evan Vucci von der US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) machte das Foto aus einer Perspektive von schräg unten. Der blutende Trump mit der gereckten Faust und die ihn umringenden Secret-Service-Beamten ragen hoch hinauf, hinter ihnen weht die US-Flagge.
Das Bild wird bereits mit dem Foto „Hissen der Flagge auf Iwo Jima“ verglichen, das einen festen Platz in der patriotischen Symbolik der Vereinigen Staaten hat. Die Aufnahme aus dem Zweiten Weltkrieg zeigt US-Soldaten, die im Februar 1945 auf der japanischen Insel einen Mast mit dem Sternenbanner hochstemmen.
Ikonisches Symbol des Parteitags der Republikaner
Trump wird durch diese Analogie zu einer neuen Ikone des Patriotismus. Nicht zuletzt seine geistesgegenwärtige Faust-Geste verheißt dem 78-jährigen jetzt politischen Gewinn. Beim Parteitag der Republikaner in Milwaukee, bei dem Trump in dieser Woche zum Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im November gekürt werden soll, wird die Geste sicherlich überall zu sehen sein.
„Die gereckte Faust wird das ikonische Symbol der Versammlung werden“, sagt der langjährige republikanische Stratege Mike Murphy im Politmagazin „Politico“ voraus.
Die hochgehaltene Faust ist eine Geste, die Trump schon seit Jahrzehnten zeigt, die aber mit dem Anschlag nun zu seinem Kennzeichen geworden ist wie nie zuvor. Trump reckte etwa trotzig die Faust, nachdem er Ende Mai von der Jury im New Yorker Schweigegeldprozess in allen 34 Anklagepunkten der Fälschung von Geschäftsdokumenten schuldig gesprochen worden war.
Trumps Geste und die Black-Power-Bewegung
Auch zu Beginn seiner vormaligen Präsidentschaft war Trumps Faust in die Höhe gegangen. Am Ende seiner Vereidigungsrede am 20. Januar 2017 unterstrich er mit der Geste vor dem Kapitol in Washington seine Kampfansage an die politischen Gegner.
Mit der geballten Faust machte sich Trump eine Geste zueigen, die in früheren Zeiten vor allem in der Black-Power-Bewegung gegen die Diskriminierung der Afroamerikaner in den USA verbreitet war.
Unvergessen ist das Bild der schwarzen US-Sprinter Tommie Smith und John Carlos, die 1968 bei der Olympia-Siegerehrung in Mexico-City zu den Klängen der US-Nationalhymne ihre Fäuste reckten. Eine Geste, die einen Riesenskandal auslöste.
„Arische Faust“ und Occupy Wall Street
Wie der Kognitionswissenschaftler Roger Kreuz von der University of Memphis erläutert, wurde die Faust-Geste im Laufe der Jahrzehnte jedoch von politischen Gruppen unterschiedlichster Couleur eingesetzt. So verwenden US-Rechtsextremisten ein als „arische Faust“ bezeichnetes Emblem mit einer weißen Hand. Aber auch in der früheren antikapitalistischen Protestbewegung Occupy Wall Street tauchte die geballte Faust auf.
Trump wird zum Märtyrer stilisiert
Die Faust, das Blut, die Fahne: Die Bilder aus Butler werden jedenfalls dazu beitragen, dass die kultische Verehrung Trumps durch rechtsreligiöse und andere konservative Gruppierungen neue Höhen erreicht.
Beim Parteitag werde „die gesamte Menge geschlossen aufstehen und mit geballten Fäusten ‚USA!’ rufen“, prophezeit der Historiker und Präsidentschaftsexperte Douglas Brinkley. Trump werde dabei die Rolle „eines Volkshelden oder Märtyrers einnehmen, da er eine Nahtod-Prüfung bestanden hat“.