Nach seiner Verwundung in Flandern kommt Adolf Mann ins Lazarett. Mitten im Krieg beginnt für ihn eine Zeit des Friedens. Als er im Rheinland ankommt, schreibt er seiner Daisy ein Telegramm. Und tatsächlich: sie sehen sich wieder.

Stuttgart - Als die Granate unmittelbar vor seinem Schützengraben einschlägt, glaubt Adolf Mann einen Moment lang, es sei um ihn geschehen. Ein Erdklumpen kracht gegen seinen Helm, die Wand des Grabens wird durch die Wucht des Treffers eingeschlagen. Um den jungen Soldaten ist es dunkel, er liegt verschüttet unter der Erde – aber genau das rettet ihm jetzt das Leben, weil es ihn gegen die Granatsplitter schützt. An diesem 29. Mai 1915 überlebt Adolf Mann einen feindlichen Angriff in der Nähe von Ypern nur mit viel Glück.

 

Doch die Explosion in seiner unmittelbaren Nähe hat für ihn Folgen: Sein Trommelfell ist geplatzt, er hört zunächst nichts mehr und leidet bald unter einem singenden Geräusch in den Ohren, das seine Nerven zunehmend angreift. Adolf Mann wird im Feldlazarett untersucht, wo der Arzt entscheidet, dass er vorerst nicht mehr an der Front eingesetzt werden kann. Mit dem Zug fährt er am 1. Juni zunächst nach Gent. Als Adolf Mann erfährt, dass er in ein deutsches Lazarett verlegt werden soll, hofft er, nach Stuttgart zu seiner Daisy zurückkehren zu können -vergeblich.

Sie trägt weiß – er Uniform

Adolf Mann soll in der Nähe von Bonn behandelt werden. Im Augustinushaus bei Hangelar sind viele Kriegsverwundete untergebracht (rechtes oberes Foto). Vom Rheinland aus schreibt er seiner Daisy ein Telegramm und tatsächlich: sie kommt. Bei einem Ausflug ans Rheinufer macht er ihr einen Heiratsantrag. Am 26. Oktober 1915 heiratet Adolf Mann seine Daisy in der Stuttgarter Leonhardskirche. Aus Elisabeth Gaiser wird Elisabeth Mann. Sie trägt weiß (Foto oben links), er Uniform.

Adolf Manns Tochter Sibylle Fischer bewahrt die Hochzeitsbilder ihrer Eltern in einer Schachtel auf. Sibylle Fischer ist 86 Jahre alt, sie lebt in Ludwigsburg und hat dem Haus der Geschichte die Feldpostbriefe ihres Vaters überlassen. „Die Mutter hat an ihrem Äußeren nicht gespart“, erzählt Sibylle Fischer, während sie sich die alten Fotos noch einmal ansieht. Auf dem Hochzeitskleid finden sich wieder jene aufgestickten Gänseblümchen – im Englischen „Daisys“ – denen Elisabeth ihren Kosenamen verdankt. Weitere Bilder zeigen die frisch vermählten Elisabeth und Adolf Mann bei ihrer Hochzeitsreise nach Bayern, wie sie am Ufer eines Sees stehen und Schwäne füttern. Der Krieg geht weiter, doch Adolf Mann bringt seine Verletzung eine Zeit des Friedens.

In einem Brief bescheibt Adolf Mann den Krieg

Sie währt kein Jahr. In Münsingen auf der Schwäbischen Alb wird Adolf Mann am Maschinengewehr ausgebildet. Im Frühjahr 1916 teilt man ihn einer Division zu, die in Frankreich an der Somme kämpft. Dort stellen sich die deutschen Truppen auf einen Großangriff der Briten ein. In einem Brief (nebenstehend) beschreibt Adolf Mann am 28. Juni 1916 das Dauerfeuer der Engländer auf die deutschen Stellungen. Das pausenlose Artilleriefeuer soll die Verteidigung an diesem strategisch wichtigen Frontabschnitt zermürben.

Als am 1. Juli 1916 die Sonne aufgeht, entdeckt Adolf Mann kaum eine Wolke am Himmel. Er befindet sich an diesem Tag nicht an vorderster Front, er beobachtet das Geschehen von einem Schützengraben der zweiten Verteidigungslinie aus. Er schreibt seiner Daisy: „Dass ich hier hinten sitzen soll, hinter der zweiten Stellung, während vorne meine MGs schießen, ist mir wahrlich zuwider!“

Die Briten greifen an

Um 7.20 Uhr zerreißen gewaltige Explosionen die morgendliche Stille: 17 Minen detonieren entlang der deutschen Verteidigungsstellungen: In den Wochen zuvor hatten die Briten den Sprengstoff in der Nähe der Front platziert – die größten Minen enthalten 20 Tonnen hochexplosives Material. Zehn Minuten später erfolgt das Signal zum Angriff: Dreizehn britische Divisionen verlassen ihre Schützengräben, um in jene Positionen vorzurücken, die eben noch von den Deutschen gehalten wurden und nun zerstört sind. Rund 100 000 Briten rücken vor, doch sie rennen nur in ihr Verderben.

Adolf Mann wird an diesem Julitag Zeuge einer der blutigsten Schlachten des Kriegs. Die Briten unterschätzen den deutschen Widerstand, ihre Truppen werden von MG-Feuer empfangen. Gegen Mittag sind 60 000 Briten gefallen oder verletzt. Als Adolf Mann das Schlachtfeld einsieht, sieht er Hunderte von Tote. „Solch einen Misserfolg können sie niemals verschmerzen“ schreibt er – und täuscht sich.

Touristen besichtigen den Krater

Heute erinnert ein gewaltiger Krater im französischen Dorf Ovillers-la-Boisselle an den Beginn der britischen Julioffensive. Wo einst die größte der Minen detonierte, wachsen Dornengestrüpp und Wildblumen. Der Krater gehört nun Amseln, Spatzen und Weltkriegstouristen.