Zwischen der Front und der Heimat gehen Millionen von Briefen hin und her. Für die Post wird der Krieg zu einer logistischen Herausforderung. Das Haus der Geschichte hat alle 1396 Briefe von Adolf Mann archiviert.
Stuttgart - Am 30. Juni 1916 schreibt Adolf Mann seiner geliebten Daisy, als die Wucht einer Explosion den Stollen, in dem er sitzt, erzittern lässt. Mitten im Schreiben gleitet er mit dem Füllfederhalter ab, wodurch ein Tintenklecks sein sonst so sauberes Schriftbild stört. Adolf Mann schreibt nach Stuttgart, wie es dazu kam: „Eine Granate schlug in der Nähe ein und verschüttelte uns so kräftiglich, daß der arme Füllfederhalter glaubte, er müsse einen Punkt darunter setzen. Aber der Stollen hält sich gegenüber diesen und manchen ähnlichen Erschütterungen glänzend.“
Es sind Überlebensbriefe, die er seiner Frau schreibt. Elisabeth Mann liest im Krieg zahllose Liebesschwüre, sie erfährt, wie Adolf Mann beinahe getötet wird, wie ihm das Essen schmeckt, was er hofft und woran er noch glaubt. Von Beginn an entwickelt sich der Erste Weltkrieg zu einer bisher noch nie dagewesenen Herausforderung für die Post aller an den Schlachten beteiligten Nationen. 1914 beginnt die große Feldpostoffensive. Im Laufe der Jahre gehen Milliarden von Briefen und Paketen zwischen der Front und den Heimatorten der Soldaten hin und her. Anfangs improvisieren die Armeen bei der Zustellung, doch nach wenigen Monaten stellen die Deutschen Berufspostbeamte ein und gliedern die Kriegsschauplätze in Postsektoren.
Täglich vier Millionen Sendungen
Der französische Historiker Bruno Cabanes schätzt, dass die zentrale französische Feldoststelle in Paris Tag für Tag knapp vier Millionen Sendungen befördert. Die Feldpostbriefe verbinden die Schicksale von Soldaten und ihren Angehörigen über hunderte, manchmal tausende von Kilometern hinweg: „Mitten im Kriegschaos sind sie für die Soldaten magische Objekte, sie öffnen die Tür zu einer anderen Existenz, einem anderen Ort, einer anderen Zeit“, schreibt Bruno Cabanes.
Adolf Mann gibt in seinen Briefen viel von sich und seinem Alltag im Krieg preis – aber nicht alles. Oft schreibt er ihr, sie brauche sich um ihn nicht zu sorgen – ein Angriff sei nicht zu erwarten, die eigenen Stellungen seien hervorragend geschützt und er selbst in Sicherheit. Ein anderes Mal berichtet er ihr von einer Verlegung seiner Einheit: „Ich schreib’ Dir, eh es ganz gewiß wird, damit Dich ein lange ausbleibender Gruß in den nächsten Tagen nicht beunruhigt.“ So wie er handeln viele Soldaten, die ihren Familien nur so viel offenbaren, dass diese nicht zu sehr beunruhigt sind. Außerdem fürchten die Soldaten die Zensur der Armee, die regelmäßig Stichproben durchführt und die Briefe öffnet. So umschreibt Adolf Mann den Einsatz von Giftgas mit den Worten, man verwende nun wieder ein „bewährtes Angriffsmittel“.