Bezelaere bei Ypern, 22. April 1915: Adolf Mann macht sich Gedanken über den Tod, der ihn jederzeit ereilen kann. Am härtesten treffe ihn die Vorstellung allein zu sterben, schreibt er seiner Daisy nach Stuttgart.
Heut schicke ich dir einige der Reclambüchlein gelesen zurück. Erstens gibts niemand hier, der sie verstehen wird in meiner Umgebung. Und demnächst möchte ich diese wichtige private „Kriegsliteratur“ nachher einigermaßen zusammenstellen. Herz, ja, das dachte ich schon so oft, was hätte diese Zeit für uns Schreckliches, wenn wir vereint sterben könnten? Der Tod an und für sich hat ja gar nichts Furchtbares oder Niederdrückendes, er hat mich nie als solches erschüttert, lediglich durch die äußeren Umstände und natürlich die persönlichen Verhältnisse des einzelnen. Es ist darum gewiß kein hohles Wort, wenn ich neulich an Konrad anlässlich der Stellung zum Zufallstod schrieb: wir würden wie wenig Menschen „in Schönheit sterben“, wenn wir nur zusammen sterben dürften.
Nirgends, Herz, empfinden wir so sehr unser Einssein wie in dieser Todesbereitschaft; und deshalb müssen wir so viel unter der Trennung leiden, weil es jedem von uns ist, als werde fern von ihm ein Glied seines Leibes vom Tode bedroht, ein unentbehrliches Glied. Herzlieb, das ist unfassbar schwer für uns beide; aber wir müssens zwingen; du musst meinen lebendigen Pulsschlag spüren, ich drück dich oft an meine Brust, als könnt ich dir von Brust zu Brust Blut und Leben geben; jeden Tag möchte ich mein Leben neu schaffen, um es dir zu geben, nichts davon behalten, alles dir geben und es von neuem schaffen. Alles Dein, komm, laß uns glaubend durchs Dunkel wandern.
Begleitend zur Serie gibt es die Geschichte von Elisabeth und Adolf Mann nun auch als Hörbuch.