Der Schützengraben wird im Ersten Weltkrieg zu einem Symbol für das Leiden und Ausharren der Soldaten. In Flandern, wo Adolf Mann kämpfte, haben Archäologen alte Gräben freigelegt und rekonstruiert.

Stuttgart - Die Überreste der Betonbunker liegen, von Moos bewachsen, wie schlafende Riesen in einem Wald aus Buchen und Birken. Aus den Trümmerteilen ragen gebogene Eisenstangen heraus. Nebel schleicht über die Felder rund um die kleine Anhöhe in Flandern, die im Ersten Weltkrieg nach schweren Gefechten einen neuen Namen bekam: Bayernwald. Heute hat sich der Bayernwald in ein Forschungsfeld für Archäologen und Historiker verwandelt – das einstige Schlachtfeld war über Jahrzehnte in Vergessenheit geraten, bevor 1971 eine belgische Familie einen Schacht wiederentdeckte.

 

Inzwischen ist der Bayernwald mit seinem System detailgetreu rekonstruierter Schützengräben zu einer Touristenattraktion geworden. Zwischen 1914 und 1918 fielen allein in Westflandern rund 550 000 Soldaten dem Krieg zum Opfer – hundert Jahre nach dem Kriegsbeginn können die Weltkriegstouristen über nachträglich angelegte Treppenstufen in jene Schützengräben gelangen, in denen einst vor allem bayerische Truppen ihre Stellungen verteidigten. Unter ihnen befand sich im Winter 1918 ein Gefreiter, der bei einem Gefecht am 15. November 1914 leicht verletzt wurde. Später würde Adolf Hitler seine Kriegsteilnahme verklären und propagandistischen Nutzen aus der Verwundung ziehen.

Ungetüme aus Stacheldraht

Im Ersten Weltkrieg harren auf beiden Seiten Millionen von Soldaten in den Schützengräben entlang der Front aus. Diese bieten ihnen Schutz: die Angreifer werden auf offenem Feld zur Zielscheibe der Maschinengewehre, mit denen die Verteidiger aus ihren Schützengräben heraus auf sie feuern. Vor den Schützengräben müssen sie zumeist wahre Ungetüme aus Stacheldraht überwinden. Die Gräben werden meist nicht als gerade Linien angelegt, sie winden sich zickzackförmig durch die Landschaft: Falls es dem Angreifer trotz der vielen Hindernisse gelingt, in einen feindlichen Schützengraben einzudringen, hat er dennoch keine freie Schussbahn.

In einem seiner Briefe an Daisy beschreibt der Stuttgarter Soldat Adolf Mann, wie er im Schützengraben den Höllenlärm des Kriegs wahrnimmt: „Ein einfaches Infanteriegeschoss hallt schon wie in einer Kirche, und nun rattert andauernd Artillerie. Es ist eine Unsumme eigenartigster Geräusche: Abschuss und Einschlag der Artilleriegeschosse, Infanteriegeschosse, Gewehrgranaten, Minen. Dann das dumpfe Losflitzen der Leuchtraketen – schimpfende Kameraden, raschelnde Mäuse.“