Am 29. August starten die Filmfestspiele von Venedig. Im Wettbewerb steht ein deutscher Hoffnungsträger: „Werk ohne Autor“ von Florian Henckel von Donnersmarck („Das Leben der anderen“). Brisanter aber: Trotz großen Krachs in der Kinowelt sind drei Netflix-Produktionen mit dabei.

Venedig - Alles wie gewohnt: Auch bei der inzwischen 75. Ausgabe der Filmfestspiele auf dem Lido, Venedigs vorgelagerter Badeinsel, muss Festivalchef Alberto Barbera, ein ehemaliger Filmkritiker, mit einem relativ knappen Budget und ewigen Politquerelen kämpfen.

 

Vom 29. August bis zum 8. September konkurrieren 21 Filme um einen Goldenen und diverse Silberne Löwen. Noch immer nimmt die Filmwelt eine Auszeichnung hier sehr wichtig – auch wenn niemand sagen kann, wie sich Venedigs Löwen, die Palmen von Cannes und die Bären von Berlin auf die Kinokassen auswirken. Der neunköpfigen Jury gehören unter anderem Christoph Waltz und Trine Dyrholm an, den Vorsitz hat Guillermo del Toro („Shape of Water“) inne.

Zankapfel Netflix

Für Deutschland geht Florian Henckel von Donnersmarck mit „Werk ohne Autor“ ins Rennen. Um leidenschaftliche Liebe, Kunst und deutsch-deutsche Geschichte kreist das aufwändige, detailgenaue Epos, das mit Tom Schilling, Sebastian Koch und Paula Beer in den Hauptrollen auch trefflich besetzt ist. Als Eröffnungsfilm wurde „First Man“ über den US-Astronauten Neil Armstrong (Ryan Gosling) ausgewählt, Regie führte Damien Chazelle („La La Land“). Und trotz des Streits, der in der Kinowelt darüber wogt, ob man auch die Produktionen von Streamingdiensten auf die Bühne großer Kinofestivals lassen soll, laufen in Venedig drei Netflix-Produktionen nicht bloß im Programm, sondern im Wettbewerb: Der Western „The Ballad of Buster Scruggs“ von Joel und Ethan Coen, das Drama „Roma“ von Alfonso Cuarón sowie „22 July“ von Paul Greengrass.

Die Parade dieser großen Namen zeigt bestens das Dilemma der Debatte. Die Streamingdienste bieten nicht hoffnungsvolle Produktionen irgendwelcher noch relativ unbekannter Fernsehregisseure an, sondern die neuen Werke von Kinogrößen. Die bekommen bei Netflix ihre Ideen leichter umgesetzt als bei den großen Hollywood-Studios.

Jenseits des großen Wettbewerbs

Als Publikumsrenner dürfte sich das nicht in den Wettbewerb aufgenommene Regiedebüt von Bradley Cooper („Hangover“) entpuppen, der ein erneutes Remake des Musicals „A Star is born“ gewagt hat und als Hauptdarstellerin Lady Gaga verpflichten konnte. Und Entdeckungen kann man wie gewohnt in den unabhängig organisierten Reihen Settimana Internazionale della Critica (Internationale Kritikerwoche) und Giornate degli Autori – Venice Days (Autorentage) machen. Oder dort auf alte Bekannte treffen. Auf Alexander Kluge beispielsweise, der 50 Jahre, nachdem er vor Ort für „Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“ den Hauptpreis gewann, mit „Happy Lamento“, einem etwas anderem Musikfilm, in dem es um Elektrizität, Zirkus und den Elvis-Song „Blue Moon“ geht, zurückkehrt.

Ebenfalls als „Special Event“ zu den Autorentagen eingeladen wurde „Why are we creative: The Centipede’s Dilemma“ von Hermann Vaske („Arteholic“), der sich für die Formen von Kreativität interessiert und dazu mehr als 50 Interviews führte, darunter mit Ai Weiwei, Wim Wenders, Nelson Mandela, Quentin Tarantino, Björk, Damien Hirst, Stephen Hawkins, Vivienne Westwood und dem Dalai Lama.