Die Bundesregierung protegiert Lufthansa in beispielloser Weise und vergisst alle ordnungspolitischen Grundsätze, kommentiert der StZ-Autor Michael Heller.

Stuttgart - Die Chuzpe von Carsten Spohr muss ein Manager erst einmal haben. Da verschwindet die zweitgrößte deutsche Fluglinie Air Berlin weitgehend im Reich des Marktführers Lufthansa, und was sagt dessen Vorstandsvorsitzender über die Folgen für Wettbewerb und Preise auf dem Markt? Nach Spohrs Logik wird sich gar nichts ändern, weil die Lufthansa-Tochter Eurowings den größten Teil der Air-Berlin-Maschinen übernimmt. Nach seiner Logik ersetzt „nur“ eine konzerninterne Konkurrenz den Wettbewerb zwischen zwei unabhängigen Anbietern, und wegen des weltweit scharfen Wettbewerbs deutet aus seiner Sicht auch nichts auf steigende Preise hin. Lufthansa als Quasimonopolist in Deutschland? Davon kann aus Sicht des 50-Jährigen keine Rede sein.

 

Dass dem Konzern mit dem Kauf der Air-Berlin-Maschinen ein Coup gelungen ist, zeigt ein Blick auf den Börsenkurs. Die Lufthansa-Aktie ist am Donnerstag mit weitem Abstand der Gewinner im Dax gewesen. Ein Beleg für eine geschickte Verhandlungsführung und eine kluge Strategie des Managements ist das freilich nicht, denn Lufthansa konnte bei dem Geschacher um die Hinterlassenschaften von Air Berlin kaum verlieren. Die Bundesregierung hat von Beginn an auf diesen Käufer gesetzt und ordnungspolitische Einwände offenbar noch nicht einmal diskutiert. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat gleich nach dem Insolvenzantrag der Berliner seine Position ganz unverblümt dargelegt: „Wir brauchen einen deutschen Champion im internationalen Luftverkehr. Deshalb ist es dringend geboten, dass Lufthansa wesentliche Teile von Air Berlin übernehmen kann.“

Nationale Champions? Das Beispiel Frankreich spricht dagegen

Wettbewerbspolitisch ist dieses Argument schlicht armselig. Wer glaubt, dass ein Unternehmen durch Protektion statt durch eigene Anstrengung international konkurrenzfähig wird, der hat nicht ganz begriffen, nach welchen Grundsätzen die Marktwirtschaft funktioniert. Eigentlich hat die Idee nationaler Champions in Deutschland nie große Resonanz gefunden. Es wäre bedauerlich, wenn sich das jetzt ändern würde. Dass der Mittelstand in Deutschland so stark ist, hat auch damit zu tun, dass die Politik auf eine besondere Fürsorge für Großkonzerne verzichtet hat – anders als in Frankreich. Dort ist zu besichtigen, wie wackelig viele dieser vorgeblichen Champions in Wahrheit dastehen.

Nun war die Lufthansa einst ein Staatsunternehmen, ist es aber längst nicht mehr. Dennoch hat die Bundesregierung in dieser Branche die Schlüsselposition inne. Denn die Flughafenkoordination, die über die Start- und Landerechte entscheidet, untersteht dem Bundesverkehrsministerium. Letztlich sind die Start- und Landerechte das Kapital einer Fluggesellschaft – wertvoller als die Flotte, die ebenso gut geleast werden kann wie das Personal. In Berlin-Tegel hält Air Berlin mehr als 40 Prozent aller sogenannten Slots, in Düsseldorf immerhin fast 30 Prozent. Mit den Maschinen aus dem bisherigen Besitz von Air Berlin könnte die Lufthansa nicht viel anfangen, bekäme sie nicht auch die entsprechenden Start- und Landerechte. Nach den EU-Regeln dürfen Start- und Landerechte zwar nicht verkauft werden – woran sich allerdings nicht jedes Mitgliedsland hält –, aber findige Juristen kennen Schleichwege, auf denen sich die Rechte transferieren lassen.

Die Hoffnungen ruhen auf der EU-Kommission

Noch besteht freilich die Hoffnung, dass das Prinzip Wettbewerb nicht völlig unter die Räder kommt. Die EU-Kommission muss den Kauf der Flieger prüfen und wird Lufthansa wohl zur Auflage machen, einige Slots abzugeben. Stuttgart - Das wäre für die Airline nicht neu, denn sie musste auch in der Vergangenheit bei den Übernahmen von AUA (Österreich) und Swiss (Schweiz) auf Start- und Landerechte verzichten. In Berlin und Düsseldorf werden das sehr viele sein müssen, soll der Wettbewerb auch künftig wenigstens einigermaßen funktionieren.