Auch ohne Fahrer aus der Heimat spielen die Österreicher in der Formel 1 eine Rolle und geben in Spielberg Gas – denn die Promi-Dichte rund um den Rennkurs ist so hoch wie die beim Abfahrtslauf in Kitzbühel.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Spielberg - Langeweile? Nicht in Österreich. Am Sonntag ist zwar erst das Formel-1-Rennen in Spielberg, doch schon am Donnerstag fliegen zwei Düsenjäger sinnfrei, aber laut über den Red-Bull-Ring – damit die Pirouetten in der Luft am Sonntag fehlerfrei über die Bühne gehen. Übungsflüge sind sicher wichtig. Denn im Nachbarland Deutschland kollidierten jüngst zwei Eurofighter, wobei einer der Piloten ums Leben gekommen ist. Man kann solch zweifelhaften Kunststücken das Schicksal auch herausfordern.

 

Die Formel 1 mag sportlich zum Langweiler verkümmern, doch wenn sie in der Steiermark gastiert, werden die Uhren auf null gestellt – da kennt der Wahnsinn keine Grenzen. Österreich dreht zweimal im Jahr richtig auf – und richtig durch: Im Januar, wenn die kräftigen Burschen auf der Streif in Kitzbühel ihre Kanten ins Eis rammen, und im Juni, wenn die Formel 1 nach Spielberg kommt. Das sind vor allem zwei Pflichttermine für Österreichs Bussi-Bussi-Gesellschaft. Der Unterschied: In Kitzbühel kommen die Pelzmäntel aus dem Schrank, beim Urlaubs-Grand-Prix im Naturparadies Steiermark die kurzen Hosen. Hoch Ulla schlägt derzeit erbarmungslos zu.

Österreich hat seine eigenen Gesetze, Österreich drückt bei den zwei rot-weiß-roten Top-Events immer mächtig auf die Tube. Die Vorfreude auf das galaktische Formel-1-Ereignis fügt einen Superlativ an den nächsten. Reihum berichten die Landes-Medien dieser Tage von 200 000 Zuschauern, die Spielberg die Ehre erweisen werden, was ein bisserl übertrieben scheint bei 100 000 verkauften Karten. Doch wen interessiert bei so einem Volksfest schon die Wahrheit?

Sänger Andreas Gabalier hat sich angesagt

Die ausgelassene Bierbüchsenparty feiern die Fans. Im Gegensatz dazu: Sehen und gesehen werden – darum geht es in Kitzbühel, und darum geht es auch in Spielberg. Das Who-is-who der österreichischen Society wird erwartet. Wenn der Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz in den Vip-Bereich einlädt, gibt es keine Alternative, außer der Opa wird 100. Ob Sänger Andreas Gabalier, Pop-Größe Victoria Swarowski oder Ex-Tennisstar Thomas Muster – dieses letzte Juni-Wochenende in Spielberg zu verbringen, ist für alle ein Muss. Am Rennen der Legenden wird US-Schauspieler Patrick Dempsey teilnehmen – Ehrensache! Dauergäste in Kitzbühel sind Arnold Schwarzenegger, Bernie Ecclestone und Größen aus Österreichs Politik, Wirtschaft und Sport. In Spielberg ist es nicht anders. Stargast in diesem Jahr: Surf-Legende Robby Naish.

Dass 2010 in Abu Dhabi letztmals ein Österreicher mit dem Namen Christian Klien in einem Formel-1-Cockpit saß – geschenkt. Ein Armutszeugnis für das Land, das große Rennfahrer wie Jochen Rindt, Niki Lauda und Gerhard Berger hervorbrachte. „Unser Hauptjob ist es ja nicht, Scouting im Kartsport zu betreiben. Aber wenn sich einer hervortut, kann man ihn aufnehmen“, sagt etwa der Mercedes-Sportchef Toto Wolff über die Nachwuchsprobleme in seinem Land. Aber auch so spielt Österreich in der Formel 1 eine größere Rolle als etwa Deutschland mit den insgesamt elf WM-Titeln von Michael Schumacher und Sebastian Vettel. Wozu also braucht jemand Christian Klien?

Seit 2011 fährt kein Österreicher mehr in der Formel 1

So spendierte der Red-Bull-König Mateschitz der Alpenrepublik einen Rennstall und darüber hinaus natürlich die modernste und schönste Haupttribüne des Formel-1-Zirkus‘. Auch Mercedes-Teamchef Wolff ist Österreicher und wird Gerüchten zu Folge neuerdings schon als künftiger Formel-1-Boss gehandelt. Der Ex-Rennfahrer Helmut Marko ist Oberaufseher des Red-Bull-Teams, eine Funktion, die Niki Lauda vor seinem Tod bei Mercedes innehatte. Franz Tost, ein weiterer Österreicher, ist Teamchef bei Toro Rosso. Dazu kommt überwiegend österreichisches Security-Personal rund um die Rennstrecken dieser Welt, und Spitzenköche aus dem Alpenland, die am aufwendigen Catering im Fahrerlager gut verdienen. Nur der Einfluss der Engländer ist in der britisch geprägten Formel 1 größer als der der Österreicher.

Die Formel Ö, es ist so, sie benötigt keinen Piloten aus Ö. Viel wichtiger ist, dass es in Spielberg auch künftig weitergeht. Denn anders als Kitzbühel, das Monaco des Schnees, steht Spielberg immer mal wieder auf der Kippe. In der nächsten Saison sollen zwei neue Grand-Prix-Orte hinzukommen, Hanoi als Stadtkurs und Zandvoort als Dünen-Spektakel. Mateschitz muss mit den Formel-1-Betreibern von Liberty Media den bis 2020 laufenden Vertrag nun vorzeitig verlängern. „Es sind noch einige Punkte zu klären, aber ich gehe davon aus, dass die Gespräche über die Zukunft von Spielberg in den nächsten Tagen beginnen“, sagt Helmut Marko, der natürlich glaubt, dass der „Didi“ es schon richten wird.

Attraktion des diesjährigen Österreich-Grand-Prix‘ ist der im Fahrerlager aufgestellte Ferrari aus dem Jahr 1975. Mit dem abenteuerlichen Zwölfzylinder wurde Niki Lauda Weltmeister – auf diese Weise wird ihm in der Heimat noch einmal gedacht. Denn wenn jemand die PS-Verrücktheit der Österreicher erst so richtig ausgelöst hat, dann der im Mai verstorbene Mann mit dem Kapperl. Ohne Lauda würden in Spielberg wohl nur die Kühe grasen.