Sie fressen 200-mal schwerere Schnecken und schalten nach dem Sex das Licht aus. Jetzt sind sie wieder unterwegs – auch in Stuttgart. Einblicke in die verrückte Welt der Glühwürmchen.

Stuttgart - Glühwürmchen sind die sanften Stars der Sommernächte. Im Nationalpark in Tennessee nahmen vergangenes Jahr 22 000 Menschen an der Verlosung von 1800 Zufahrtsberechtigungen teil, um die seltenen synchron leuchtenden Tiere im Wald zu bewundern. Im thailändischen Amphawa gibt es Flussrundfahrten per Boot zu den besten Glühwürmchen-Spots, Japaner feiern Festivals zu Ehren der Insekten und in Wuhan in China hat vor drei Jahren der erste Glühwürmchen-Themenpark eröffnet. Weltweit existieren mehr als 2000 Arten, drei davon in Deutschland: der Kleine Leuchtkäfer, der Große Leuchtkäfer und der Kurzflügel-Leuchtkäfer. Doch was macht den Reiz der Insekten aus? Wir klären die häufigsten Fragen.

 
Leuchten Glühwürmchen wirklich?
Die Fähigkeit der Insekten, Licht zu produzieren, heißt Biolumineszenz. Am Hinterleib der Glühwürmchen befinden sich die Leuchtzellen, die sogenannten Laternen. In ihnen läuft eine chemische Reaktion ab. Der Stoff Luciferin reagiert unter dem Einfluss des Enzyms Luciferase mit Sauerstoff, dabei wird Energie in Form von Licht frei. Die Laternen sind dabei aufgebaut wie ein Autoscheinwerfer: Statt Glas findet sich bei den Insekten ein durchsichtiges Gewebe. Die Glühbirne sind die lichtgebenden Zellen. Als Spiegel, der das Licht nach außen reflektiert, fungiert eine Zellschicht, in der sich Harnsäurekristalle befinden.
Warum leuchten sie?
Die Insekten senden Leuchtsignale aus, damit sich Männchen und Weibchen zur Paarung finden. Die Männchen erkennen die Weibchen ihrer Spezies an deren Leuchtmuster, also der Helligkeit, der Lichtfarbe, der Länge der Leuchtintervalle oder auch der Form des Leuchtkörpers. Das am hellsten leuchtende Weibchen lockt die meisten Männchen an. Diese fliegen in zwei bis drei Metern Höhe und lassen sich senkrecht auf ein Weibchen fallen. Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Können die Weibchen keine Männchen anlocken, wird das Leuchten schwächer und schwächer bis die Laterne erlischt. Wenige Weibchen haben genug Energie, um länger als etwa zehn Tage zu leuchten. Klappt es mit der Paarung, stirbt das Männchen unmittelbar nach dem Akt, das Weibchen schaltet in der Regel sein Licht ab und beginnt wenige Tage darauf mit der Eiablage. Manchmal glimmen bereits die Eier der Glühwürmchen, auch die Larven können ein wenig schimmern, wenn sie gestört werden.
Wie lange leben sie?
Die fliegenden Leuchtkäfer leben nur etwa sieben bis zehn Tage in dieser Form. Ihre Larven bereiten sich zwei bis drei Jahre auf diese wenigen Tage vor. Die Larven schlüpfen im August. Nach zwei oder drei Wintern verpuppen sie sich im Frühsommer. Nach zehn Tagen verlassen sie als Käfer die Puppe. Dann folgt die Paarungszeit.
Wovon ernähren sich Glühwürmchen?
Wenn wir Leuchtkäfer fliegen sehen, sind sie in der Fastenzeit. Viele Leuchtkäferarten haben nicht einmal Beißwerkzeuge, da sie in ihrem kurzen Leben ohnehin nichts zu sich nehmen müssen. Nur die Larven der Käfer fressen – und zwar reichlich Nackt- und Gehäuseschnecken aller Art. Da die Larven praktisch blind sind, folgen sie dem abgesonderten Schneckenschleim, auf dem sich die Schnecken fortbewegen. Die Larven greifen sogar bis zu 200-mal schwerere Tiere an. Bei der Beute angekommen, beißt die Larve in das Vorderende der Schnecke und injiziert ein Gift. Bei Gehäuseschnecken klettert sie auf das Gehäuse, um die Schnecke immer wieder zu beißen, solange bis diese gelähmt ist.
Können alle Glühwürmchen fliegen?
In Europa können nur die Männchen fliegen und blinken, die Weibchen haben nicht einmal Flügel. Während der Paarungszeit sitzen die Weibchen leuchtend im Gras oder auf Büschen, die Männchen tanzen blinkend durch die Luft. Manchmal bewegen sich die weiblichen Insekten nur wenige Zentimeter von ihrem angestammten Fleck weg. Alle Energie wird auf das Leuchten verwendet, Bewegung wäre Kraftverschwendung.
Wo finde ich Glühwürmchen?
Hierzulande halten sie sich gerne an Waldrändern und in lichten Gebüschen auf, in Wiesen, Parks und Gärten, an Böschungen und Bahndämmen. Sie lieben die Nähe zu offenem Wasser. Ideal sind naturbelassene, ungemähte feuchte Wiesen. Die Larven leben in Laubstreu.
Kann man seinen Garten glühwürmchenfreundlich gestalten?
Es hilft, die Zahl der künstlichen Lichtquellen zu verringern. Denn solche Störlichter verwirren die Tiere bei der Suche nach einem Paarungspartner. Auch Pflanzenschutzmittel wie Insektizide und Schneckenbekämpfungsmittel sollten nicht verwendet werden. Diese Chemikalien gefährden die Larven und die Leuchtkäfer und töten deren Nahrungsgrundlage, die Schnecken. Auch lieben die Tiere eine gewisse Unordnung: Also Laub-, Stein- oder Asthaufen ruhig einmal liegen lassen. Trockenmauern, Streifen mit Wildkräutern oder Hecken bieten den Tieren Verstecke und unterstützen ihre Entwicklung.
Wie hell leuchten Glühwürmchen?
Eine Kerze ist etwa tausendmal heller als ein mitteleuropäischer Leuchtkäfer. Stärker leuchten die Tiere in anderen Weltregionen wie den Urwäldern Lateinamerikas. Aber: die Insekten sind extrem energieeffizient. Sie haben einen Wirkungsgrad von bis zu 98 Prozent. Das heißt, dass fast die gesamte Energie in Form von Licht und nur ein geringer Teil als Wärme abgegeben wird. Zum Vergleich: bei einer herkömmlichen Glühlampe liegt der Wirkungsgrad bei fünf Prozent.
Wann können Glühwürmchen gut beobachtet werden?
Gewöhnlich sind die Monate Juni und Juli in Mitteleuropa die Hoch-Zeit der Käfer. Generell beginnen die Käfer in der späten Dämmerung zu leuchten, etwa dann, wenn der Mensch in der Dunkelheit keine Farben mehr unterscheiden kann. Das Wetter spielt kaum eine Rolle, besonders die Weibchen leuchten auch bei Regen. Die Leuchtkäfer fliegen zwischen ein und drei Stunden. 22 Uhr ist also die optimale Zeit, gegen Mitternacht hört das Blinken meist auf.