Seit 25 Jahren präsentiert das Technoseum in Mannheim die Industriegeschichte des Landes und lädt die Besucher zum Mitmachen ein. 170 000 Exponate umfasst die Sammlung des Hauses. Die Prämisse „Berühren verboten“ gilt schon lange nicht mehr.
Mannheim - Wie von Geisterhand bewegt, steigt ein bunter Heißluftballon lautlos aus einem der unteren Stockwerke in die oberen Etagen und sinkt wieder nieder; wenige Meter weiter lassen zwei technikversierte Schulbuben die Glühbirnen einer Schaltanlage im Rekordtempo an- und ausgehen, ein anderer setzt den großen Flaschenzug in Bewegung. Es herrscht Hochbetrieb im Technoseum in Mannheim – an manchen Tagen auch noch kurz vor Ende der Besuchszeit. Die Zeiten, in denen dort durchweg die Prämisse galt: „Berühren verboten“, sind lange vorbei. Natürlich sind von der barocken Taschenuhr bis zum glänzenden Oldtimer noch immer viele der wertvollen Ausstellungsstücke nur zum Betrachten da. Doch daneben gibt es in dem Haus, das vor 25 Jahren als architektonisch anspruchsvoller Museumstempel des Industriezeitalters im Südwesten eröffnet wurde und das am kommenden Sonntag mit einem Festakt sein erstes größeres Jubiläum begeht, längst zahlreiche Möglichkeiten zum selber Probieren und Experimentieren.
Größtes Exponat ist ein historischer Raddampfer
170 000 Exponate umfasst die Sammlung des Hauses: Die Themenbereiche reichen von der Dampfmaschine bis zur Bionik, vom Maschinenbau bis zu Haushaltsgeräten, von der Druckmaschine bis zur Radio- und Fernsehtechnik. Das größte Exponat ist ein historischer Raddampfer, der am Ufer des Neckars liegt; zu den kleinsten und kuriosesten Museumsstücken gehört ein Maulwurfschussapparat für Hobbygärtner.
Neben der Pflege all dieser Glanzstücke aus dem Bereich der Technik und der Alltagskultur haben die Verantwortlichen in jüngerer Zeit mehr und mehr Gewicht darauf gelegt, dass die Besucher auch selbst aktiv werden können. „So haben wir uns in den vergangenen Jahren zu einem Museum für Kinder und Jugendliche entwickelt: wir führen junge Leute an Technik und Naturwissenschaften heran“, erklärt Technoseum-Chef Hartwig Lüdtke. „Das halten inzwischen alle für wichtig, auch in der Politik; dafür bekommen wir unser Geld“.
Initiative für Museum kam von Filbinger und Späth
Gut die Hälfte der etwa 200 000 Besucher im Jahr kommen mit Schulklassen oder Familien. Damit hat das Haus eine Rolle gefunden, die so nicht unbedingt vorgesehen war, als die früheren Ministerpräsidenten Hans Filbinger und Lothar Späth (beide CDU) vor Jahrzehnten die ersten Initiativen für ein solches Museum ergriffen haben. Schon relativ früh wurde damals klar, dass das neue Museum nicht nur die eindrucksvolle Industriegeschichte des Landes dokumentieren sollte, sondern auch die Alltagskultur und die Sozialgeschichte, das Leben der Menschen in Stadt und auf dem Land.
So kann man heute in Mannheim sehen, wie einst die Bauern im Odenwald lebten und wie es zur gleichen Zeit in einer Arbeiterwohnung in der Stadt ausgesehen hat oder wie die Unternehmer selbst in ihren „Prinzipalbüros“ residierten. Darüber hinaus sollte das erste und einzige Technikmuseum im Land ein „arbeitendes Museum“ mit ratternden und fauchenden Dampfmaschinen, mit Webstühlen und Papierwalzen werden -. vorgeführt von Fachleuten. Dass auch die Besucher selbst mitmachen, davon war anfangs keine Rede.
Zehn Jahre vom Grundsatzbeschluss bis zur Eröffnung
Neben der Landeshauptstadt Stuttgart haben sich damals auch Göppingen und Karlsruhe mit Nachdruck um das Projekt bemüht. Dass Mannheim den Zuschlag bekommen hat, ist vor allem Lothar Späth zu verdanken, der schon damals feststellte, dass die Geschichte der alten Kurpfalzmetropole „wie kaum die Geschichte einer anderen Stadt dieses Landes von der industriellen Entwicklung geprägt ist“. Gut zehn Jahre brauchte es danach noch vom Grundsatzbeschluss des Ministerrats bis zur feierlichen Eröffnung des Museums am 28. September 1990.
Vor allem in den ersten fünfzehn Jahren ist das Haus, das seine Architektin Ingeborg Kuhler einst „als weißes Schiff auf grünen Wogen“ bezeichnet hat, dann mehrmals gehörig ins Schlingern geraten. „Doch das Grundkonzept hat sich bewährt und es ist seit der Gründung klug und gut weiter entwickelt worden“ bilanziert Hartwig Lüdtke, der vor knapp zehn Jahren vom Rheinischen Landesmuseum in Bonn nach Mannheim gekommen ist. „Das Haus ist inzwischen etabliert. Aber darauf wollen wir uns nicht ausruhen. Wir wollen und müssen auch weiterhin zeigen, dass es gut ist, dass es uns gibt“.
Das Museum
Das Haus (www.technoseum.de) wurde 1990 als „Landesmuseum für Technik und Arbeit“ gegründet, vor fünf Jahren wurde es in „Technoseum“ umbenannt. Träger ist eine Stiftung des Landes und der Stadt Mannheim. Zum Jahresetat von elf Millionen Euro steuert das Land 6,6 Millionen und die Stadt 3,3 Millionen Euro bei. Etwa eine Million Euro erwirtschaftet das Museum mit seinen 70 Mitarbeitern selbst.
Die Sammlung
Die Dauerausstellung des Hauses ist als Zeitreise der Industriealisierung im deutschen Südwesten chronologisch aufgebaut und bietet zahlreiche Experimentierstationen – von der Forstwirtschaft über die Elektrifizierung bis zur Bionik
Die Ausstellungen
Einer der größten Mängel des Hauses war lange das Fehlen eines großen Ausstellungsraums, er wurde erst vor einigen Jahren nachträglich eingerichtet. Auch zuvor gab es – teils in beengten Verhältnissen - jährlich mindestes eine Sonderschau für Groß und Klein. Zu den erfolgreichsten zählten „Abenteuer Raumfahrt“ (2006), „Unser täglich Brot“ (2011) und die „Medizintechnik“ (2014). Die meisten Besucher aller Zeiten, nämlich 778 000, bescherten dem Museum im Jahr 1998 die „Körperwelten“ des Anatoms und Plastinators Gunther von Hagens.