Die Pianistin Olivia Trummer, die den Jazzpreis des Landes Baden-Württemberg erhält, verbindet Welten. Das musikalisch streng Begrenzte mag sie so wenig wie die Haifischbecken-Atmosphäre von Karriere-Hotspots.

Stuttgart - Die in Stuttgart geborene und in Berlin wohnende Pianistin und Sängerin Olivia Trummer ist die diesjährige Jazzpreisträgerin des Landes Baden-Württemberg. „Endlich!“, haben viele ausgerufen, als sie im März diese Nachricht erfuhren. Kunststaatssekretärin Petra Olschowski betonte bei der Bekanntgabe: „Olivia Trummer versteht die klassische Musik als Inspiration. Sie hat einen persönlichen Stil im Zusammenspiel von Klavier und Gesang entwickelt und ist damit längst über die Landesgrenzen hinaus anerkannt.“

 

Gudrun Endress, die Vorsitzende der Jury, begründete die Entscheidung so: „Olivia Trummer zeichnet vieles aus. Die virtuose, sich in vielen Stilen bewegende Pianistin hat im Lauf der Jahre einen Gesangsstil entwickelt, der aus derselben Quelle kommt wie ihr Klavierspiel. Der stimmliche Einsatz ist einmal eher textlich, ein anderes Mal stärker instrumental. Olivia Trummer ist auch als Komponistin sehr produktiv.“ Die mit 15 000 Euro dotierte Auszeichnung wird an diesem Sonntag im Theaterhaus verliehen.

Unverwechselbar und vielseitig

Wie zwei Flüsse sich zu einem Strom vereinen, so fließen bei ihrem Spiel Klassik und Jazz ineinander. Doch Trummer geht es seit Jahren darum, sich nicht einfach im Mainstream des Jazz treiben zu lassen, es geht ihr um Eigenständigkeit. Sie möchte, um im Bild zu bleiben, als Steuerfrau ihrer Musik Richtung und Tempo selbst bestimmen. Denn wer sich auf dem umkämpften Markt durchsetzen will, muss unverwechselbar und zugleich vielseitig sein.

Das weiß die 34-Jährige, die in einer Musikerfamilie aufwuchs und von der Frau Mama die ersten Klavierstunden erhielt, sehr genau. Sie weiß auch, dass für eine Karriere effizientes Management und signifikante Auftritte im Internet angesagt sind. Ihr Charme, ihr hübsches Aussehen, das gewinnende Lächeln und ein besonderes Outfit erleichtern das Vorhaben.

Etwas schüchtern war Olivia anfänglich schon, ein hässliches Entlein indes nie. Als sie an der staatlichen Hochschule für Musik und darstellenden Kunst in Stuttgart ihr Studium des klassischen und des Jazzklaviers mit Auszeichnungen abschloss, fiel sie nicht nur ihren Kommilitonen auf. An der Manhattan School of Music setzte Trummer ihr Studium fort und musste lernen, sich in der von vielen als Haifischbecken bezeichneten Jazzszene New Yorks durchzusetzen. Für immer dort leben wollte sie nicht.

Jazz, Klassik und New York

2005 wirkten auf ihrem Debütalbum „Nach Norden“ bekannte Stuttgarter Jazzer wie Joel Locher, Marcel Gustke und Libor Sima mit. Eine andere Himmelsrichtung schlug Trummer drei Jahre darauf mit „Westwind“ ein, einem Album, bei dem Trompeter Matthias Schriefl mit von der Partie war. Als sie den Schweizer Vibrafonisten Jean-Lou Tréboux traf, gelang Trummer mit dem Projekt „Classical to Jazz“ – kurz C2J – endgültig der Brückenschlag zwischen notierter Klassik und improvisiertem Jazz. „Ein geglücktes Vorhaben“, jubelte das Fachmagazin „Rondo“. Der Auftritt bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen stieß bei Hörern klassischer Musik wie auch bei Freunden des Jazz auf Interesse.

Prägend für die experimentierfreudige Trummer, die durch ihre deutschen und englischen Texte weiter an persönlichem Profil gewann, war sicher auch die Zusammenarbeit mit dem deutschpolnischen Perkussionisten Bodek Janke, der 2008 selbst mit dem Landesjazzpreis ausgezeichnet worden war. Dessen hochenergetisches Spiel setzte in der Pianistin eine dynamischere Spielweise frei. Während der Jahre in New York musizierte sie mit dem weltbekannten Jazzgitarristen Kurt Rosenwinkel, wurde festes Mitglied seines Projekts Caipi, spielte das Album „Fly now“ ein, trat 2016 bei großen Festivals in Montreux, New York, Montreal und Peking auf. Mit der israelischen Flötistin Hadar Noiberg folgte das Album „The Hawk“ mit einer sehr hübschen Version von „Here comes the Sun“.

Wunderbar komplett

Wichtig sind Olivia Trummer vor allem aber Solokonzerte, bei denen sich „das gleichzeitige Spielen und Singen wunderbar komplett anfühlt“. Als Solistin zu erleben war sie mit der „Panorama Suite“, dem feinsinnigen „Poesiealbum“ oder einer Jazzbearbeitung der „Partita Nr. 2“ von Johann Sebastian Bach. Ihre erste Platte allerdings war – trotz aller Liebe zur Klassik – ein reines Jazzalbum, eines der besten überhaupt: „Waltz for Debby“ des wundervollen Pianisten Bill Evans.

Nach der Kontrabassistin Karoline Höfler (1995) und der Pianistin Gee Hye Lee (2012) ist Olivia Trummer die dritte Frau, die den begehrten Preis erhält. Der wurde 1985 an den früh verstorbenen Pianisten Jörg Reiter erstmals vergeben – im Geburtsjahr der diesjährigen Gewinnerin.

Info: Preisverleihung und Konzert am 28. Juli 2019 um 19 Uhr im Theaterhaus