Vor der Apartheid floh er in die USA, wo ihn Miles Davis und Harry Belafonte unter ihre Fittiche nahmen: Die südafrikanische Jazzlegende Hugh Masekela ist mit 78 Jahren gestorben.

Stuttgart - „Er hat gelebt, und wie!“, sagt der südafrikanische Star Zakes Bantwini, als er im Rundfunk auf den Tod von Hugh Masekela angesprochen wird: „Sein Leben war so prall gefüllt wie ein Lexikon.“ Ein Musiker nach dem anderen meldet sich bei der Radiostation, um dem verstorbenen Jazz-Trompeter Tribut zu zollen: Noch mehr als die mitreißenden Töne aus seinem Horn, die hier ohnehin jeder kennt, werden dabei sein ansteckender Humor, die unbändige Lebenslust und sein gesellschaftliches Engagement gefeiert. Der „Vater des südafrikanischen Jazz“ ist tot – doch die Legende lebt weiter.

 

Schon nach der Lektüre des ersten Kapitels der Masekela-Autobiografie „Still Grazing“ sei ihm die Kinnlade herunter gefallen, so der Musikproduzent Loyiso Bala: „Lies weiter, das ist noch gar nichts“, habe ihm Masekela damals erwidert. Der 1939 geborene Junge wuchs im berüchtigten Johannesburger Künstler- und Ganovenviertel Sophiatown auf, wo er als Fünfzehnjähriger den Kinofilm „Young Man with a Horn“ über den US-Trompeter Bix Beiderbecke sah. Bereits am Ende der Vorführung war klar: „Ich wollte hier und jetzt Trompetenspieler werden“, erinnert sich Masekela in seiner Biografie. Falls er verspreche, sich von Verbrechern fernzuhalten, werde er ihm ein Horn verschaffen, versprach der in Sophiatown tätige Pastor und Anti-Apartheidskämpfer Trevor Huddleston und organisierte ein Instrument, das kein anderer als Louis Armstrong gestiftet hatte. Dermaßen ausgerüstet startete Masekela seine Karriere: Wenige Jahre später trat er mit Miriam Makeba und den Manhattan Brothers im Kultmusical „King Kong“ auf.

Er schrieb die Hymne der Anti-Apartheid-Bewegung

Das Massaker in Sharpeville 1960 machte dem afrikanischen Bebop-Jazzer allerdings deutlich, dass im Rassistenstaat kein Platz für ihn war: Mit Unterstützung ausländischer Musiker setzte er sich in die Vereinigten Staaten ab. Unter den Fittichen von Miles Davis, John Coltrane und Harry Belafonte fand Masekela schnell Boden unter den Füßen. 1967 trat er neben Janis Joplin, The Who und Jimi Hendrix beim Monterey-Popfestival auf, ein Jahr später landete er mit „Grazing in the Gras“ einen Welthit. Allmählich bekam er allerdings auch die Folgen seines Lebenshungers zu spüren: Zum exzessiven Alkoholkonsum, an den er sich bereits in Südafrika gewöhnt hatte, gesellte sich das Kokain in den Hippie-Paradiesen der sechziger Jahre. „Ich hatte mein Leben mit Drogen und Alkohol zerstört und kriegte weder eine Band zusammen noch einen Gig auf die Reihe“, so Masekela. Außerdem nagte das Heimweh an ihm.

1972 verlässt Masekela die USA, um wenigstens in seinem Heimatkontinent zu leben. In einer Art Pilgerfahrt zieht er von Guinea nach Nigeria, Ghana, Liberia und den Kongo – ans Kap der Guten Hoffnung kann er sich nicht wagen. In dieser Zeit schreibt er seinen eingängigsten Hit: „Stimela“, in dem er die Geräusche der aus dem ganzen südlichen Afrika in die Goldminen nach Johannesburg stampfenden Züge der Wanderarbeiter nachahmt. Mehr als zehn Jahre später folgt der Hit „Bring back home Nelson Mandela“, der zu einer Hymne des Anti-Apartheidkampfs wird. 1990 passiert, was Masekela niemals zu träumen gewagt hatte: Nach Mandelas Freilassung kann er wieder nach Hause zurückkehren. In einer Marathon-Tour reist er mit einer 38-köpfigen Musikertruppe vier Monate lang kreuz und quer durch die Heimat. Hunderttausende von Fans tanzen durch die mehr als fünfstündigen Auftritte des umjubelten Heimkehrers. „Es war die aufregendste Zeit meines Lebens“, erinnerte sich „Bra Hugh“, also Bruder Hugh, wie Masekela in Südafrika liebevoll genannt wird: „Es war das pure Vergnügen.“

Er verehrte Mandela – und verabscheute den Personenkult

Obwohl das Rassistenregime besiegt ist, endet das gesellschaftliche Engagement von Hugh Masekela nicht: 1997 outet er sich als ehemaliger Abhängiger und startet eine Kampagne gegen den Drogen- und Alkoholkonsum, vor allem unter Künstlern. Politisch macht er mit unorthodoxen Haltungen von sich reden: Er nimmt an einem Groß-Event zu Ehren Nelson Mandelas nicht teil, weil er sich am Personenkult um die südafrikanische Ikone nicht beteiligen will. Den weißen Südafrikanern aber sagt er: „Sie haben sich nie dafür entschuldigt, dass sie unsere Frauen, unser Land, unsere Erde und unsere Bodenschätze vergewaltigt haben. Sie haben Milliarden an Pfund auf den Rücken der schwarzen Sklaven gemacht, aber niemals etwas zurückbezahlt. Es ist nichts geschehen und wird wohl niemals geschehen.“

Zehn Jahre lang kämpfte Hugh Masekela gegen den Prostata-Krebs. Jetzt hat die Jazzlegende den Kampf im Alter von 78 Jahren verloren. „Ich versuche jeden Tag, so wie er kommt, zu leben,“ sagte er vor wenigen Monaten in einem der selten gewordenen Interviews: „An meinem Vermächtnis zu arbeiten liegt mir nicht. Wenn man damit anfängt, wird man von seinem eigenen Ich verschlungen.“