Die Mundart gehört nicht allein den Bayern: Arte zeigt am Freitagabend den Kinoerfolg „Die Kirche bleibt im Dorf“, den Pilotfilm für die gleichnamige Fernsehserie des SWR. Die Geschichten aus Ober- und Unterrieslingen sind ein Riesenspaß.

Stuttgart - Zwei verfeindete Ortschaften, die sich eine Kirche und einen Friedhof teilen müssen? Ein Dorfgasthaus, in dem drei Schwestern „Lensa mit Knöpfla“ servieren und auf den Zuruf, „Maria, brengsch mer au no oins“ ein Viertele einschenken? Das klingt nicht nach Kassenknüller, weshalb „Die Kirche bleibt im Dorf“ 2012 eine echte Kinoüberraschung war. 500 000 Zuschauer vor allem in Baden-Württemberg wollten Ulrike Grotes schwäbische Komödie um die Familien Häberle und Rossbauer anschauen, sie landete auf Platz 15 der Kinocharts. Wenn die Gemeinschaftsproduktion heute auf Arte erstmals im Fernsehen ausgestrahlt wird, dürften sich diese Zahlen vervielfachen. Denn dann werden sicher auch all die Fans einschalten, die 2013 im dritten Programm die gleichnamige zwölfteilige Fernsehserie angeschaut und dem SWR damit einen beachtlichen Quotenerfolg beschert haben.

 

Der Mehrteiler lieferte die Vorgeschichte zur Dramenposse, die der Kinofilm ausbreitet: Weil sich die Ober- und die Unterrieslinger seit Generationen nicht vertragen, wird ein Schlagloch auf der Ortsgrenze zum Streitfall. Als Oma Anni aus der Sippe der Häberles das Zeitliche segnet, weil sie mit ihrem Moped dort etwas zu schnell unterwegs war, eskaliert die Situation. Dann kommt auch noch ein reicher Amerikaner, der das Gotteshaus der Gemeinde kaufen will. Und überhaupt gibt es außer den Feindes- auch noch Liebesbande zwischen den Nachbarn. Die Winzerin Klara Häberle und der Schweinezüchter Peter Rossbauer möchten heiraten, was den Alten überhaupt nicht passt.

Munterer Komödienstadel

Das klingt nach Komödienstadel und ist es in weiten Teilen auch. „So ischs Läba hald au oft“, würden die Häberles sagen: menschliche Verwicklungen, knitze Originale, ein bisschen Lebenslust und Gefühlschaos, dazu Zank und Versöhnung. Und das kommt alles überdreht und optisch aufgehübscht daher. Die wunderbare Natur- und Kulturkulisse wurde im südbadischen Emmendingen aufgenommen, die alten Bulldogs gibt es nur noch im Landwirtschaftsmuseum, und nur auf Biobauernhöfen matschen die Sauen so friedlich im Freien wie hier. Und nur selten sieht man so kernige Frauen und Männer hinter dem Tresen und an der Mistgabel stehen wie im fiktiven Ober- und Unterrieslingen.

Aber das ironiegewohnte Publikum weiß, dass der „neue Heimatfilm“, den Marcus H. Rosenmüller mit „Wer früher stirbt ist länger tot“ für Bayern erfunden hat, auch in seiner schwäbischen Ausführung keinen Authentizitätsanspruch erhebt. Er ist ein Kommentar zur Sehnsucht nach Verwurzelung in Zeiten der Globalisierung. Und der Zuschauer hat seinen Spaß daran: Wer tagsüber formvollendet in Businessenglisch mit chinesischen Vertragspartnern verhandelt, weiß es zu schätzen, wenn er abends herzhaft über derbe Sprüche lachen kann, die ihm furchtbar vertraut sind, aber in einer immer uniformer werdenden Wirklichkeit auch merkwürdig fremd anmuten.

Der Erfolg ist groß – und die Serie wird fortgesetzt

Klassiker schwäbischer Kommunikation – etwa den Zweizeiler: „Du woisch doch sonschd emmer älles. –  Jetzt woiß i’s grad hald mol ned“ – haben die Drehbuchschreiber in großer Zahl zusammengetragen. Und wenn die Filmfiguren ihren Mund aufmachen, ist das Entzücken groß. Wer hätte gedacht, dass die mondäne Natalia Wörner einen derart starken Dialekt im Repertoire hat, dass ihrem Winterhuder Hotelgast beim Einchecken der Verstand stehen bleibt? Die in Stuttgart aufgewachsene Schönheit ist als Wirtstochter Maria im Jeansrock der Star von „Die Kirche bleibt im Dorf“, neben dem allerdings noch viele andere Sterne glänzen. Karoline Eichhorn, Julia Nachtmann, Hans Löw und Stephan Schad bruddeln und schmeicheln mit so rauem Charme, dass, wer als Schwabe fern von Neckar und Alb weilt, sofort nach Hause fahren und mitschwätzen möchte.

Natürlich ist die Story von Romeo und Julia auf dem Dorfe, für die sich die Autorin und Regisseurin Ulrike Grote recht ungeniert bei anderen Produktionen bedient hat, an den Haaren herbeigezogen. Und natürlich stimmt nicht jedes Detail in ihrem Film, neben vielen guten Gags wird auch viel Klamauk geboten. Und vor Übertreibungen macht die Schwabenposse sowieso nicht halt: So oft wie die Ober- und Unterrieslinger schreit niemand „Scheißdreck“. Eine erfolgreiche Riesengaudi ist „Die Kirche bleibt im Dorf“ dennoch. Deshalb hat sich der SWR auch zu einer Fortsetzung der Fernsehserie entschlossen. 2015 sollen zwölf neue Folgen aus der Feder von Ulrike Grote zu sehen sein. Gedreht werden die Episoden derzeit rund um Kleiningersheim im Landkreis Ludwigsburg. Und sie sollen abermals beweisen, dass die Freude an der Mundart nicht den Bayern allein überlassen gehört. Des hem mir nemlich au druff!

Arte, 20.15