Wie die Klarissen im Kloster von Pfullingen lebten, lässt sich aufgrund ihrer Ordensregel – „ora et labora et lege“ – und dem detailliert festgelegten Tagesablauf analog den Benediktinern schließen. Zentral waren neun Gebete, Andachten und Gottesdienste auch während der Nacht. Gegessen wurde mittags und abends – außer an den zahlreichen Fastentagen im Jahr. Die Nonnen trugen Tonsur. Ihre Kleidung – Unterkleider, Mantel, Schleier und Haube – bestand aus rauem Tuch und einem Strick als Gürtel, sie gingen barfuß. Im Dormitorium schliefen die Nonnen – in der Blütezeit bis zu 60 – und die Äbtissin gemeinsam, das Lager bestand aus einem Strohsack, Kissen und einer Wolldecke. Persönlicher Besitz war nicht erlaubt, eine Privatsphäre nicht vorgesehen.

 

In der Beschaffung der Lebensmittel waren die Klöster nahezu autark. Für die Landwirtschaft gab es oft Laienschwestern, während die Nonnen sich in der gut bestückten Bibliothek mit theologischen Fragen auseinandersetzen, sich im Scriptorium dem Abschreiben oder Illustrieren von Büchern widmeten. Es waren gebildete Frauen, die selbstverständlich die jüngeren unterrichteten. Sie entstammten vermögenden, oft adligen Familien, denn eine Mitgift war für die Aufnahme im Kloster unerlässlich. Die individuellen Beweggründe werden sehr unterschiedlich gewesen sein: Frömmigkeit, der Wunsch nach einem Leben ohne Ehe und Familie in Gottgefälligkeit und Demut.

Die Kirche wird zum Fruchtkasten

Eine Dauerausstellung über Klara und die Pfullinger Klarissen ist seit 2010 neben dem Sprechgitter im ehemaligen Waschhaus untergebracht, zu dem das Windenhaus im 17. Jahrhundert umgebaut wurde. Nach der Reformation und Vertreibung der Nonnen sind die meisten Gebäude entweder abgerissen oder säkularen Zwecken zugeführt worden, die Kirche machte man zum Fruchtkasten.

Mitte des 19. Jahrhunderts erwarb der Pfullinger Zwirn- und Nähfaden-Fabrikant Albert August Knapp das Klosterareal, sein Enkel Albert Gayler führte das Unternehmen fort und bewohnte mit seiner Familie die ehemalige Klosterhofmeisterei.

Bei einem Ausflug ins ehemalige Kloster vom nahegelegenen Tübingen aus, lernte der Philosophie-Student Günther Neske die Gayler-Tochter Brigitte kennen. Sie verliebten sich, heirateten, und Neske gründete mit Unterstützung des Schwiegervaters 1951 einen Verlag. Brigitte Neske arbeitete als Lektorin, Sekretärin, Herausgeberin und entwarf die meisten Bucheinbände und Schutzumschläge. HAP Grieshaber steuerte das Verlagssignet mit einem barock-verschnörkelten N bei, Ernst Jünger den Satz „Machen Sie in Pfullingen nichts, so könnten Sie auch in Berlin sitzen und nicht auffallen!“

Kein Besitz, keine Privatsphäre

Wie die Klarissen im Kloster von Pfullingen lebten, lässt sich aufgrund ihrer Ordensregel – „ora et labora et lege“ – und dem detailliert festgelegten Tagesablauf analog den Benediktinern schließen. Zentral waren neun Gebete, Andachten und Gottesdienste auch während der Nacht. Gegessen wurde mittags und abends – außer an den zahlreichen Fastentagen im Jahr. Die Nonnen trugen Tonsur. Ihre Kleidung – Unterkleider, Mantel, Schleier und Haube – bestand aus rauem Tuch und einem Strick als Gürtel, sie gingen barfuß. Im Dormitorium schliefen die Nonnen – in der Blütezeit bis zu 60 – und die Äbtissin gemeinsam, das Lager bestand aus einem Strohsack, Kissen und einer Wolldecke. Persönlicher Besitz war nicht erlaubt, eine Privatsphäre nicht vorgesehen.

In der Beschaffung der Lebensmittel waren die Klöster nahezu autark. Für die Landwirtschaft gab es oft Laienschwestern, während die Nonnen sich in der gut bestückten Bibliothek mit theologischen Fragen auseinandersetzen, sich im Scriptorium dem Abschreiben oder Illustrieren von Büchern widmeten. Es waren gebildete Frauen, die selbstverständlich die jüngeren unterrichteten. Sie entstammten vermögenden, oft adligen Familien, denn eine Mitgift war für die Aufnahme im Kloster unerlässlich. Die individuellen Beweggründe werden sehr unterschiedlich gewesen sein: Frömmigkeit, der Wunsch nach einem Leben ohne Ehe und Familie in Gottgefälligkeit und Demut.

Die Kirche wird zum Fruchtkasten

Eine Dauerausstellung über Klara und die Pfullinger Klarissen ist seit 2010 neben dem Sprechgitter im ehemaligen Waschhaus untergebracht, zu dem das Windenhaus im 17. Jahrhundert umgebaut wurde. Nach der Reformation und Vertreibung der Nonnen sind die meisten Gebäude entweder abgerissen oder säkularen Zwecken zugeführt worden, die Kirche machte man zum Fruchtkasten.

Mitte des 19. Jahrhunderts erwarb der Pfullinger Zwirn- und Nähfaden-Fabrikant Albert August Knapp das Klosterareal, sein Enkel Albert Gayler führte das Unternehmen fort und bewohnte mit seiner Familie die ehemalige Klosterhofmeisterei.

Bei einem Ausflug ins ehemalige Kloster vom nahegelegenen Tübingen aus, lernte der Philosophie-Student Günther Neske die Gayler-Tochter Brigitte kennen. Sie verliebten sich, heirateten, und Neske gründete mit Unterstützung des Schwiegervaters 1951 einen Verlag. Brigitte Neske arbeitete als Lektorin, Sekretärin, Herausgeberin und entwarf die meisten Bucheinbände und Schutzumschläge. HAP Grieshaber steuerte das Verlagssignet mit einem barock-verschnörkelten N bei, Ernst Jünger den Satz „Machen Sie in Pfullingen nichts, so könnten Sie auch in Berlin sitzen und nicht auffallen!“

Das Pfullinger Sprechgitter und Celans Sprachgitter

Tatsächlich wurde der Neske-Verlag zu einem der wichtigen Nachkriegsverlage für Philosophie, Kulturwissenschaft und Literatur. Hier erschienen Werke von Martin Heidegger und Beda Allemann, Hans Mayer, Walter Jens und Ernst Bloch, aber auch Jean Arp, André Breton oder Natalie Sarraute – fast hätte es sogar mit Günter Grass’ „Blechtrommel“ geklappt. Und mit Paul Celan.

In der Buchhandlung Gastl, in der sich in diesen Jahren die literarische Szene traf, erlebte Günther Neske Anfang Juni 1957 Paul Celan bei seiner ersten Tübinger Lesung. Wenige Tage später sandte er ihm eine Fotopostkarte: „Das Sprechgitter – aus dem Jahre 1250 – steht in unserem Klostergarten. Sie müssen es bald einmal sehen.“

Außerdem formulierte er seine Freude über Celans Zusage, ihm seine Gedichte anzuvertrauen, er wolle sie sogleich veröffentlichen. Zu einer Zusammenarbeit kam es aber nicht. Paul Celan besuchte Pfullingen später zwei Mal und las für Neskes zweite Langspielplatte „Lyrik der Zeit“ einige Gedichte, darunter die „Todesfuge“. Das Foto mit dem (von innen aufgenommenen) Sprechgitter hatte eine nachhaltige Wirkung auf ihn. Er nannte das Mitte Juni entstandene Gedicht, das dann auch dem gesamten, 1959 bei S. Fischer publizierten Band den Namen gab, „Sprachgitter“ – ein Wort, das er bei seiner Jean-Paul-Lektüre gefunden hatte. Es beginnt mit der Zeile „Augenrund zwischen den Stäben“. Die Stäbe waren auf dem Bild besser zu erkennen als das Lochgitter, sie lassen uns an den Käfig des Panthers in Rilkes Gedicht denken, dem „als ob es tausend Stäbe gäbe/und hinter tausend Stäben keine Welt“.

„Wir sind Fremde“

Das Sprechgitter beeinträchtigte, verhinderte sogar das Sehen und bei den Klarissen auch die Wahrnehmung der Außenwelt. Vice versa konnte auch niemand in das Kloster hineinschauen, den Blick unseres Fotografen auf den Westgiebel der Kirche hat es also einstmals nie gegeben.

Paul Celan schreibt das Gedicht „Sprachgitter“ gleich nach seiner Ankunft in Wien Mitte Juni 1957. Zum ersten Mal ist er wieder in der Stadt, wo Celan eine Liebesbeziehung mit Ingeborg Bachmann verbunden hatte. Nun thematisiert er die Schwierigkeit von Wahrnehmung und Kommunikation, zwischen Liebenden und Zeitgenossen, die eine unterschiedliche historische Erfahrung trennt. Und stellt die Frage, ob ein Gespräch überhaupt möglich ist: „Wir sind Fremde“, heißt es. Und es endet mit den beiden Zeilen „Zwei/Mundvoll Schweigen“. Paul Celan kann immerhin davon sprechen.