Das Ende einer 35 Jahre währenden Erfolgsgeschichte: Die Kleine Tierschau sagt im Theaterhaus auf die ihr eigene grandios daherblödelnde Art Ade.

All den Gabys im Lande haben sie es nicht leicht gemacht. Wenn sie heute als Zugabe auf ihren Hit „Lieber doof sein als Gaby heißen“ anspielen, ernten sie Standing Ovations. Vermutlich auch von den Gabys im Saal. Schon zu Beginn hatten sie das Publikum nach zwei Takten zu rhythmischem Klatschen ermuntert. Auf Schunkeln, immerhin, wurde verzichtet. „Die Kleine Tierschau“ ist eine Stuttgarter Institution. Ihre Geschichte ist eng mit der Geschichte des Theaterhauses verbunden. Obwohl sie längst, nicht zuletzt dank dem Fernsehen, bundesweit bekannt ist, hat sie hier ihre eigentliche Heimat und ihre treuesten Fans.

 

Wenn sie jetzt, 35 Jahre nach ihrer Gründung, Ade sagt (so lautet auch der Titel des Abschiedsprogramms), markiert sie damit das Ende einer Epoche im deutschen Entertainment. Als sie anfing, erlebte die Kunst des Blödelns, das die politische Unterhaltung der 68er-Generation abgelöst hatte und deren Pioniere Insterburg & Co. sowie Schobert und Black waren, gerade ihre Blütezeit. Inzwischen ist sie durch Allgegenwärtigkeit zur Belanglosigkeit heruntergekommen, kaum noch mit Einfällen gesegnet, die man nicht hundertfach gesehen und gehört hätte.

Vom ursprünglichen Trio sind Michael Gaedt und Michael Schulig geblieben. Ernst Mantel ist schon vor sieben Jahren ausgeschieden, das Restduo musste sich den eingeführten Namen, der, als er noch nicht Gemeingut war, so gezielt in die Irre geführt hat, gerichtlich erkämpfen. Nun also soll Schluss sein. Sagt „Die Kleine Tierschau“. Warten wir's ab. Gaedt und Schulig wären nicht die ersten, die auf ihren letzten gemeinsamen Auftritt einen allerletzten oder sogar mehrere allerallerletzte folgen lassen. Man kann es auch Reunion nennen. Denn, ach, Abschied fällt so schwer.

Mit dem Wohnmobil auf dem Rücken

Vorerst kommen Schulig und Gaedt mit dem Wohnmobil als Rucksack auf der Bühne an. Und dann geht es los. Mit Kalauern („Ich habe zu viel Moos im Magen – bin ich halt ein Moos-Kauer“), mit Parodien von Flamenco, dem irischen Riverdance oder von Schlagern. Das wäre streckenweise ziemlich quälend, wenn sie nicht, stimmlich wie auf diversen Instrumenten, hervorragende Musiker wären.

Sie singen „Smoke On The Water“ von Deep Purple mit der von Google gelieferten Übersetzung: „Rauchen Sie auf dem Wasser“, und Gaedt legt einen Stepptanz ein. Dann tritt er als Krankenschwester auf, zieht sich einen bunten Slip nach dem anderen aus, um den spannendsten Moment des Striptease im Dunkeln zu verbergen, und singt „Fever“.

Und Lurchi ist auch wieder dabei!

Das musikalische Repertoire stammt aus den sechziger und siebziger Jahren. Von den heutigen Charts ist es weit entfernt. Da muss man wohl Ade sagen. Gaedt spricht das Publikum mit „Meine Damen und Herren“ an und verweist somit in eine Vergangenheit, in der man die Zuschauer noch nicht duzte oder mit „ej, Alter“ anmachte. Immerhin holt sich der Komiker Kerstin aus der letzten Reihe, wo sie sich sicher gefühlt hatte, um sich als Messerwerfer zu produzieren. Denn auch klassische Zirkus- und Varieténummern werden parodiert. Nach der Pause darf auch ein Michael auf die Bühne, um sich von einer Maschine einen Turban wickeln zu lassen.

Vor den Zugaben, mit denen sie nicht geizt, heizt „Die Kleine Tierschau“ dem Auditorium mit „Cum On Feel the Noize“ von Slade und mit Hilfe einer elektrischen Zahnbürste und eines Automotors ein. Dann lässt sich Gaedt im Schlauchboot über die Köpfe der Zuschauer hinweg durch den steil ansteigenden Saal tragen. So riskant ist Publikumsnähe nicht immer, und die Roadies achten darauf, dass es nicht zu einem Schiffbruch kommt. Unterstützt wird das Gespann von fünf choreografisch nicht überforderten Go-Go-Girls, die en passant zu Funkenmariechen mutieren und auch als Bühnenarbeiterinnen aushelfen dürfen.

Requisiten und Kostüme gehören zur Show. Schulig und Gaedt treten in einem Betonmischer auf, auf einem mechanischen Pferd oder einer motorisierten Kloschüssel, mal als Karikatur eines Russen, mal als Klischee eines Amerikaners, als Hans-Jürgen Bäumler auf einem Segway oder auch als Lurchi und seine Freunde. Mit einem Handbesen auf dem Kopf als Irokesenschnitt verwandeln sie sich in Punks. Zuvor erklären sie, dass „scheißegal“ auf französisch „Je ne regrette rien“ heiße, und singen Jacques Brels berühmtes Chanson, begleitet von PVC-Flaschen, die sie sich gegenseitig an die Schädel schlagen.