In den Sommerwochen treffen sich unsere Kulturredakteure mit Kulturschaffenden zum Frühstück in der Stadt. Diesmal im Café Kaiserbau mit derKostümbildnerin Bettina Marx, die viel in Berlin arbeitet, aber gerne in Stuttgart lebt.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Ohne Frühstück geht sie eigentlich nie aus dem Haus. Wenn Bettina Marx für Dreharbeiten um vier Uhr aufstehen muss, schafft sie es nicht, „aber ab fünf schmiere ich mir ein Brötchen und trinke in aller Ruhe einen Kaffee“, sagt sie. Denn ohne Frühstück „fängt der Tag für mich nicht gut an“. Bettina Marx ist Kostümbildnerin – und eine „Superfrühstückerin“. Wenn sie Zeit hat, zelebriert sie das Frühstück mit „Tischdecke, Blümchen, Serviette, Frühstücksei und mehreren Sorten Aufschnitt, die auf einem Teller drapiert sind“ – und deshalb ist sie auch sehr zufrieden mit dem Sortiment, das im Café Kaiserbau am Marienplatz serviert wird. Nur die Brötchen könnten für ihren Geschmack etwas vollwertiger sein.

 

Bettina Marx lebt schon lange in Stuttgart und ist doch oft über Monate nicht zuhause. In diesem Jahr ist sie für mehrere Produktionen am Staatstheater Nürnberg engagiert, aber auch wenn sie fürs Kino und hin und wieder fürs Fernsehen arbeitet, ist sie viel unterwegs, nicht nur während der Dreharbeiten, sondern schon bei den Vorbereitungen. „Ob es ein interessanter Filmfundus ist oder ob es interessante Geschäfte sind – es ist alles in Berlin“, sagt sie. Ob Kostüme genäht oder historische Kleider ausgeliehen werden müssen: Sie muss nach Berlin. Und weil die meisten Schauspieler ebenfalls in Berlin leben, finden inzwischen auch fast alle Anproben dort statt.

Trotzdem war Stuttgart für sie lange ein sehr guter Standort. Sie wurde regelmäßig für Kinoproduktionen engagiert. Seit dem Vorstandswechsel bei der Film- und Mediengesellschaft habe sich das allerdings geändert. Filmschaffende aus Baden-Württemberg hätten oft das Nachsehen. „Während früher immer erst Leute aus Baden-Württemberg angefragt wurden, bringen die Regisseure ihr Team heute mit.“

Als Kostümbildnerin hat sie wichtige Preise gewonnen

Bettina Marx bedauert das, aber sie findet auch so ihr Auskommen. Im Lauf der Jahre hat sie ihre eigenen Kontakte aufgebaut. Mit Andres Veiel hat sie für „Wer wenn nicht wir“ zusammengearbeitet, hat auch die Kostüme für den viel beachteten Film „Freier Fall“ über zwei schwule Polizisten gemacht. 2004 bekam sie den Deutschen Fernsehpreis für „Mein erster Freund, meine Mutter und ich“, 2006 den Deutschen Filmpreis für ihre Arbeit an Hans-Christian Schmids Film „Requiem“. Für ihre Kostüme zum Kinofilm „Elser“ wurde sie erneut nominiert.

Obwohl die in Marburg Geborene, die einige Jahre in Berlin gelebt hat, gern in Stuttgart ist, hadert sie immer wieder mit der Stadt. Denn ihr ideales Wohnkonzept wäre „eine gute Hausgemeinschaft“, bei der jeder in seinen eigenen vier Wänden leben, man untereinander aber auch Kontakt haben kann. Sie könnte sich gut vorstellen, auch im Alter in Stuttgart zu leben, „aber Berlin ist vermutlich das bessere Pflaster, um Leute zu finden, die ein ähnliches Wohnkonzept wollen“, sagt sie. In Berlin seien „eben nicht alle Menschen Wohnungsbesitzer, die sich gemeinsames Mieten und Wohnen partout nicht vorstellen können“ – im Gegensatz zu den meisten ihrer Stuttgarter Freunde.

Andererseits genießt es Bettina Marx, in Stuttgart schnell im Grünen zu sein. Sie schätzt auch das Stuttgarter Kulturangebot. „Ob Theater, Oper, Konzerte, es gibt viel Interessantes und Hochwertiges in der Stadt“, auch wenn sie sich eine größere Kinoauswahl und mehr Museen wünscht. Die Staatsgalerie Stuttgart könnte ihrer Meinung nach spannendere Ausstellungen machen – „zu verschult, zu langweilig präsentiert und mit wenig Mut zu Kontrasten.“ Zum Staatstheater, an dem sie früher selbst tätig war, sagt sie: „Ich freue mich auf Burkhard Kosminski“, den künftigen Schauspielintendanten, und bedauert, dass Jossi Wieler und Sergio Morabito die Oper verlassen.

Bettina Marx ärgert, dass die Grünen lebenswerte Flächen dem Kommerz opfern

So ist Bettina Marx‘ Verhältnis zu ihrer Stadt durchaus ambivalent, der Verkehr stört sie als passionierte Fußgängerin enorm. Sie findet es auch „katastrophal, dass die Grünen totale Bremser sind“ bei Fahrverboten und der Bekämpfung des Feinstaubs und stattdessen „lebenswerte Flächen kommerziellen Interessen von Handel und Autofahrern opfern“. Gleichzeitig weiß sie die „integrative Kraft“ in der Stadt sehr zu schätzen und ist beeindruckt, „wie zugewandt hier mit Menschen, die anders aussehen, umgegangen wird.“ Das fällt der Kostümbildnerin immer wieder auf, wenn sie einer ihrer heimlichen Leidenschaften nachgeht: im Café sitzen und beobachten. „Da bekommt man die Atmosphäre mit“, sagt Bettina Marx, „und ich stelle immer wieder fest, dass Stuttgart eine ziemlich tolerante Stadt ist.“

In der Serie bereits erschienen: das Frühstück mit dem Kulturmanager Johannes Gerlitz (15. August)