Der Südwesten ist in Europa gut vertreten: unter anderem durch Annette Knödler aus dem Remstal, die in Brüssel als Referentin für Umweltpolitik arbeitet.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Brüssel - Eine Schillerbüste grüßt im Foyer, Bilder des Stuttgarter Fernsehturms sowie des Heidelberger Schlosses hängen an der Wand und in der Schwarzwaldstube wird Tannenzäpfle ausgeschenkt: Baden-Württemberg gibt sich auf europäischem Parkett bodenständig und zeigt in seiner Landesvertretung, was es zu bieten hat. Rund 270 Regionen gibt es in der Europäischen Union; das Land versteht sich als eine der leistungsfähigsten und hält damit nicht hinter dem Berg.

 

Obwohl sie wirklich stolz auf ihre Heimat sind – hier arbeiten überzeugte Europäer, die meisten davon Landeskinder. So wie Annette Knödler, die für das Umweltministerium die aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich begleitet und nach Stuttgart meldet, wenn das Land von geplanten Neuregelungen betroffen ist. Die 26-Jährige hat einen Blitzstart in der Landesverwaltung hingelegt: nach ihrem Masterabschluss in Europastudien und einem Praktikum bei einem Umweltinstitut in Washington fing Knödler in Brüssel an. Schon einige Jahre zuvor hatte die Lorcherin nach einem Praktikum ein halbes Jahr in der Landesvertretung gearbeitet.

In der Landesvertretung ist die Heimat nicht fern

Berlin, Washington, Brüssel: Annette Knödler ist viel herumgekommen in den politischen Machtzentren der westlichen Welt. Sie spricht dank ihres Studiums und diverser Praktika fließend Französisch und Englisch, und sie hat sich schon an der Uni auf Energiepolitik spezialisiert. Das alles geschah ganz bewusst; für Berufsanfänger in Brüssel sind Qualifikationen dieses Kalibers Standard.

Und sie schaden nicht: Annette Knödler pendelt zwischen EU-Kommission, EU-Parlament, Ministerrat und Verbandsrepräsentanzen. Sie knüpft Kontakte zu Abgeordnetenbüros, EU-Beamten und Industrievertretern, und sie muss genau hinsehen. Falls ihr Pläne für eine wichtige neue EU-Regelung durchgehen, kann das Folgen haben. Wichtige Entscheidungen in der Umwelt- und Energiepolitik werden in Brüssel getroffen – mit direkten Auswirkungen auf Politik und Firmen im Land. Einmal im Monat fährt Annette Knödler nach Stuttgart, um im Umweltministerium über aktuelle Entwicklungen in der europäischen Umwelt-, Klima- und Energiepolitik zu berichten. Manchmal besucht sie bei dieser Gelegenheit ihre Familie in Lorch im Remstal. Die meiste Zeit verbringt sie zwar in Brüssel, doch in der Landesvertretung ist die Heimat nicht fern. Unter Kollegen wird hier gerne geschwäbelt. Außerdem, erzählt Knödler schmunzelnd, habe sie noch nie in ihrem Leben so häufig Maultaschen und Spätzle serviert bekommen wie während der acht Monate in der Landesvertretung.

Grün-Rot im Land hat Folgen für die Europa-Arbeit

Der Job in Brüssel wirkt sich auch auf die eigene Identität aus. „Beim Studium in Berlin war ich die Wessi, in Washington hat man mich als Europäerin wahrgenommen. Hier in Brüssel bin ich die Baden-Württembergerin“, sagt Annette Knödler. Und wie fühlt es sich an, in Brüssel als Vertreterin des Landes wahrgenommen zu werden? „Baden-Württemberg gilt hier als Musterländle, nicht nur unter den Deutschen“, erläutert Knödler, „es macht natürlich sehr viel Spaß, für ein Land zu arbeiten, in dem die Dinge funktionieren.“

Seit gut einem Jahr funktionieren die Dinge politisch ein bisschen anders. In den vergangenen Jahren hat die Umwelt-, Klima- und Energiepolitik auf allen Ebenen an Bedeutung gewonnen. Die grün-rote Landesregierung hat das Thema in Baden-Württemberg ganz oben auf ihrer Agenda. Das wirkt sich natürlich auch auf die Arbeit der Landesvertretung aus: Wenn es in Brüssel etwa um Energieeffizienz geht, dann kommuniziert Knödler im Auftrag Stuttgarts starke Positionen.

Brüssel hat mehr zu bieten als Staus und Bürobauten

Ein bisschen Überzeugung gehört aber auch dazu: „Man ist fast zwangsläufig für neue, alternative Verkehrskonzepte, wenn man morgens auch nur fünfzig Meter die Rue Belliard entlanggeht“, sagt Annette Knödler. An dieser vierspurigen, unter der Woche ständig verstopften Ausfallstraße liegt die Landesvertretung – mitten im Europaviertel, aber eben auch vom Verkehr umtost.

Doch Brüssel hat mehr zu bieten als Staus und Bürobauten. Annette Knödler mag die Stadt wegen der guten Croissants und des internationalen Flairs. Und wenn es die Schwäbin dann doch mal in ihre Heimat zieht, ist auch das kein Problem: der ICE braucht nach Stuttgart nur etwas mehr als vier Stunden.

Das Land wahrt seine Interessen in Brüssel und Berlin


Brüssel
1987 hat Baden-Württemberg ein Informationsbüro unweit der EU-Institutionen eröffnet. Damals wie heute geht es darum, die heimische Politik, Wirtschaft und Forschung frühzeitig über neue EU-Regelungen zu informieren, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen und EU-Politik zu beeinflussen.

Baden-Württemberg-Haus
2003 bezog die Landesvertretung ein sechsstöckiges Gebäude an der Rue Belliard, mitten im Europaviertel. Die Büros sind zum Teil an baden-württembergische Firmen vermietet, darunter Würth und Bosch. Die Repräsentanz wird um das Nachbargebäude, in dem bis jetzt das Goethe-Institut angesiedelt ist, erweitert. Das Land will die neuen Räumlichkeiten ebenfalls an Firmen und Verbände aus dem Land vermieten.

Aktivität
Die Landesvertretung veranstaltet pro Jahr rund 300 Präsentationen, Diskussionen, Gesprächskreise oder Empfänge. Dabei werden Spezialitäten aus dem Land serviert: Brezeln, Kartoffelsalat, Wein sowie Bier von der Badischen Staatsbrauerei Rothaus – gern in der holzgetäfelten, kaminbeheizten Schwarzwaldstube im Untergeschoss. Außerdem stellen sich bei solchen Anlässen oft Einrichtungen aus dem Land vor.

Berlin
Auch in Berlin unterhält das Land eine Repräsentanz – mitten im Botschafterviertel am Tiergarten. Das Gebäude wurde im Jahr 2000 eingeweiht. Ganz ähnlich wie in Brüssel geht es darum, politische Interessen zu vertreten, Netzwerke zu bilden und das Land darzustellen.

Minister
Die beiden Vertretungen des Landes sind organisatorisch beim Staatsministerium angesiedelt. Deren Leiter ist der Minister für Bundes-, Europa- und internationale Angelegenheiten. Seit Mai 2011 hat der gebürtige Karlsruher Peter Friedrich (SPD) dieses Amt inne.


Große Jubiläumsbeilage 60 Jahre Baden-Württemberg am Samstag, 21. April 2012 in der Stuttgarter Zeitung.