Hat die LBBW die Sparkassen für ihre Tricksereien benutzt? Eine Broschüre gibt Hinweise darauf.

Berlin - Das Ende der US-Bank Lehman Brothers, das den Beginn der Finanzkrise markiert, ist am 18. Februar 2008 noch sieben Monate entfernt. Es wird noch gezockt – nicht nur in New York, sondern auch in Stuttgart. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) macht Geschäfte mit Lehman, auch Cum-Ex-Geschäfte, die den Staat um Steuereinnahmen prellen und derzeit von einem Untersuchungsausschuss des Bundestags unter die Lupe genommen werden. Ein Dokument dieses Datums, das dieser Zeitung vorliegt, gewährt nun eventuell Einblicke in die Praxis des sogenannten Dividendenstrippings und artverwandter Finanzprodukte.

 

Neu ist die Erkenntnis nicht, dass die LBBW damals Profit auf Kosten der Allgemeinheit machte. Hans-Jörg Vetter, bis 2016 Vorstandschef der größten deutschen Landesbank, berichtete vor dem Ausschuss davon, wie er bei der Amtsübernahme 2009 feststellte, dass „die LBBW in den Jahren 2007 bis 2009 sogenannte Cum-Ex-Geschäfte gemacht“ hat. Vetter stellte die Praxis ein und informierte die Bankenaufsicht, was zu einer Steuernachzahlung über 150 Millionen Euro führte. Wie groß das Schlamassel war, stellte sich aber erst 2013 heraus. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt seither gegen mehrere Mitarbeiter.

Eine Steuer, mehrmals absetzen

Dabei geht es um Cum-Ex-Deals, bei denen eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach abgesetzt wurde. Es gibt aber auch sogenannte Cum-Cum-Modelle, die ebenfalls auf Aktienverkäufen rund um den Dividendenstichtag fußen, vom Finanzamt beanstandet werden, aber nicht unbedingt strafrechtlich relevant sind. Um einen solchen Fall geht es möglicherweise in der elfseitigen Broschüre aus dem Jahr 2008, mit der die LBBW der Sparkasse Karlsruhe eine sogenannte Wertpapierleihe angeboten hat.

Das Kürzel „Rodal“ steht für „Rendite-optimierte Dax-Aktien-Leihe“, eingestuft als „streng vertraulich“. Es ging darum, den Ertrag „eines bereits bestehenden Anlageportfolios signifikant zu erhöhen“. Die Sparkasse sollte der LBBW vorübergehend Aktien aus ihrem Bestand überschreiben – und dafür Wertpapiere großer Konzerne als Sicherheit erhalten. Bei einer Laufzeit von drei Monaten versprach die LBBW eine Zusatzrendite von 1,45 Prozentpunkten. Und das Beste: „Zusätzliche Marktrisiken müssen nicht eingegangen werden.“ Hier liegt der Verdacht nahe, dass das Risiko beim Steuerzahler lag, wie Gerhard Schick, für die Grünen im U-Ausschuss, zu bedenken gibt: „Bei der weitergeleiteten Wertpapierleihe kann man den Steuertrick, der sich insgesamt ergibt, beim einzelnen Akteur nicht sehen – aber irgendwo muss die gute Rendite bei einem solchen risikolosen Geschäft ja herkommen.“

Unklare Rechtslage

Im Zeugenstand hat der frühere LBBW-Chef Vetter bereits auf ein Geschäft dieser Art Bezug genommen mit dem Hinweis, dass er „nie auf die Idee kommen würde, dass das Cum-Cum ist, aber darüber wird diskutiert“. Wenn sich eine Landesbank von einer Sparkasse Aktien leihe, tue sie das, um einen für diese Bank aufgenommenen Kredit zu besichern und damit billiger zu machen – im Gegenzug profitiere der Kunde von einer Leihgebühr. Im Falle des Angebots an die Karlsruher Sparkasse gibt es aber keinen Hinweis auf einen parallel vergebenen Kredit, dafür gleich mehrere Hinweise auf Cum-Geschäfte mit doppelter Steuerbescheinigung. „Sowohl der Investor als auch die LBBW werden jeweils rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der erhaltenen Wertpapiere.“ Der Investor sei dann „berechtigt, die Dividenden zu beziehen und KESt“ anzurechnen, wobei Letzteres für die Kapitalertragsteuer steht. Die LBBW gab sich in dem Angebotspapier dennoch überzeugt, ihr Renditeprodukt sei im Hinblick auf Paragraf 42, der den Missbrauch steuerrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten ahndet, „äußerst robust“. Schick hegt Zweifel und möchte mehr wissen: „Die Sparkassen müssen ihre Aktiengeschäfte mit der LBBW aus dieser Zeit offenlegen – nur so kommen wir bei der Aufklärung ein großes Stück weiter.“