„Dass er das über so lange Zeit so beharrlich betreibt, macht mir Sorgen“, sagt der Anwalt Schmid. „Er hat ein Jahr lang nichts anderes zu tun, als sie zu bedrohen.“ Da Anzeigen gemäß dem Strafrechtsparagrafen 238 („Nachstellung“) im Fall von Anna nichts bewirkten, beantragte Wolf-Peter Schmid im Herbst beim Amtsgericht Ludwigsburg ein Annäherungsverbot gegen den Ex-Mann.

 

Seit dem 14. Oktober darf er sich Anna nicht auf weniger als 100 Meter nähern oder auf welchem Wege auch immer Kontakt aufnehmen. Das seit 2002 geltende Gewaltschutzgesetz, das dieses Verbot ermöglicht, empfindet Schmid grundsätzlich als hilfreich. Gegenüber einem Strafverfahren hat es einen Vorteil: „Es geht flott, es reicht die Glaubhaftmachung der Nachstellungen.“ Will man den Täter jedoch für einen Verstoß belangen, muss man dies bei Gericht beantragen und zum Beispiel mit Zeugenaussagen nachweisen. Dann erst verhängt der Richter ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft. Da kämen manchmal Skrupel auf, sagt Schmid, „weil man Dritte mit in die Sache hineinziehen muss“.

Adam hat dies längst schon getan, indem er das gesamte Umfeld  seiner Ex-Frau belästigt. „Das Problem ist, ich kann nicht mehr alleine sein“, sagt Anna. Seit Monaten kommt ihre jüngere Schwester, die bereits früher Feierabend hat, zu ihr ins Geschäft und wartet, damit dann beide gemeinsam nach Ladenschluss zum Auto gehen können. An ein normales, unbefangenes Leben ist nicht mehr zu denken. „Ich verstehe nicht, was er damit erreichen will“, sagt Anna. Völlig ausgeschlossen, dass sie sich nach alldem jemals wieder auf einen Kontakt mit ihm einlässt.

Jörg Hafner leitet die Geschäftsstelle des Weißen Rings in Stuttgart und ist Experte in Sachen Stalking. „Die junge Frau macht alles richtig, wenn sie bei jedem Übergriff Anzeige erstattet“, sagt er. Aus Erfahrung weiß Hafner aber, dass es oft nicht ohne mehrere Strafverfahren abgeht und der Stalker – nach dem zweiten oder dritten Urteil – erst im Gefängnis landen muss, bevor er vom Opfer ablässt.

Sie hofft immer noch, dass er abschließen kann

Noch hofft Anna darauf, „dass er damit abschließt und mich mein Leben leben lässt“. Sie dachte schon darüber nach, einige Monate unbezahlten Urlaub zu nehmen oder gleich ganz aus Ludwigsburg wegzuziehen. „Dann habe ich gedacht: Warum sollte ich wegen ihm alles aufgeben?“ Im Zweifel würde er sie doch wieder aufspüren. So wie im Winter, als sie nach dem Besuch eines Schnellrestaurants in ihr Auto stieg und er unvermittelt die Beifahrertür aufriss . Den Vorfall hat Anna mit einem Handyvideo festgehalten – was zulässig ist, wenn sie ihn auf dem Video deutlich hörbar darauf hinweist, dass sie ihn filmt. „Mach die Tür zu“, schreit sie mehrmals. „Ich geh jetzt zur Polizei.“ Seine lakonische Antwort: „Viel Spaß!“ Immer wieder wandte sich Anna in ihrer Verzweiflung an die Polizei. Diese riet ihr, weiter in jedem Einzelfall Anzeige zu erstatten.

Der Anwalt Wolf-Peter Schmid vertritt die Frau. „Ich habe versucht, dem Stalker eine goldene Brücke zu bauen“, sagt er. Im Mai lud er Adam in seine Kanzlei ein. Zwei Stunden lang redete Schmid ihm ins Gewissen, quasi als Gespräch unter Männern. Seine Mandantin sei eine attraktive junge Frau, da falle es sicher nicht leicht, die Trennung anzunehmen. „Meistens sind die Männer zivilisiert, und man kann ihnen sagen: Hör auf, das führt zu nichts. Du machst dich nur zum Deppen!“ In diesem Fall habe es aber nichts gebracht. „Dabei ist das ein hoffnungsvoller junger Mann, er sollte sich nicht in die alte Sache reinsteigern“, sagt Schmid. Aus seiner langjährigen Tätigkeit kennt er die Mentalität mancher verlassener Ehemänner mit Wurzeln auf dem Balkan: „Die haben zum Teil seltsame Ehrvorstellungen.“

So nahmen die Übergriffe weiter zu: Im Juli lauerte Adam seiner Ex-Frau abends im Parkhaus auf. Vor ihrem Sommerurlaub, den sie mit der Hochzeitsfeier ihres Bruders verbinden wollte, kündigte er an: „Ich habe Leute zur Hochzeit geschickt, es wird etwas passieren.“ Das war für Anna der Anlass, die Polizei einzuschalten und Anzeige zu erstatten.

Es half nichts. Selbst als sie einkaufen ging, stand er auf einmal mit seinem Auto auf dem Nebenparkplatz. Als sie Stunden später zurückkehrte, war er immer noch da. Regelmäßig taucht Adam vor dem Ludwigsburger Friseursalon auf, in dem sie arbeitet. Vor den Schaufenstern macht er beleidigende Gesten oder zieht sich den Daumen über die Kehle, um zu signalisieren, dass er ihr den Hals durchschneiden wird. Ihre Kollegen pöbelt er auch an. Einen Kunden verfolgte er bis nach Hause, weil er glaubte, er sei Annas neuer Freund. Zig Vorfälle dieser Art haben Anna, ihre Familie und ihre Kollegen dokumentiert.

Das Gericht verhängt ein Annäherungsverbot

„Dass er das über so lange Zeit so beharrlich betreibt, macht mir Sorgen“, sagt der Anwalt Schmid. „Er hat ein Jahr lang nichts anderes zu tun, als sie zu bedrohen.“ Da Anzeigen gemäß dem Strafrechtsparagrafen 238 („Nachstellung“) im Fall von Anna nichts bewirkten, beantragte Wolf-Peter Schmid im Herbst beim Amtsgericht Ludwigsburg ein Annäherungsverbot gegen den Ex-Mann.

Seit dem 14. Oktober darf er sich Anna nicht auf weniger als 100 Meter nähern oder auf welchem Wege auch immer Kontakt aufnehmen. Das seit 2002 geltende Gewaltschutzgesetz, das dieses Verbot ermöglicht, empfindet Schmid grundsätzlich als hilfreich. Gegenüber einem Strafverfahren hat es einen Vorteil: „Es geht flott, es reicht die Glaubhaftmachung der Nachstellungen.“ Will man den Täter jedoch für einen Verstoß belangen, muss man dies bei Gericht beantragen und zum Beispiel mit Zeugenaussagen nachweisen. Dann erst verhängt der Richter ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft. Da kämen manchmal Skrupel auf, sagt Schmid, „weil man Dritte mit in die Sache hineinziehen muss“.

Adam hat dies längst schon getan, indem er das gesamte Umfeld  seiner Ex-Frau belästigt. „Das Problem ist, ich kann nicht mehr alleine sein“, sagt Anna. Seit Monaten kommt ihre jüngere Schwester, die bereits früher Feierabend hat, zu ihr ins Geschäft und wartet, damit dann beide gemeinsam nach Ladenschluss zum Auto gehen können. An ein normales, unbefangenes Leben ist nicht mehr zu denken. „Ich verstehe nicht, was er damit erreichen will“, sagt Anna. Völlig ausgeschlossen, dass sie sich nach alldem jemals wieder auf einen Kontakt mit ihm einlässt.

Jörg Hafner leitet die Geschäftsstelle des Weißen Rings in Stuttgart und ist Experte in Sachen Stalking. „Die junge Frau macht alles richtig, wenn sie bei jedem Übergriff Anzeige erstattet“, sagt er. Aus Erfahrung weiß Hafner aber, dass es oft nicht ohne mehrere Strafverfahren abgeht und der Stalker – nach dem zweiten oder dritten Urteil – erst im Gefängnis landen muss, bevor er vom Opfer ablässt.

Sie hofft immer noch, dass er abschließen kann

Noch hofft Anna darauf, „dass er damit abschließt und mich mein Leben leben lässt“. Sie dachte schon darüber nach, einige Monate unbezahlten Urlaub zu nehmen oder gleich ganz aus Ludwigsburg wegzuziehen. „Dann habe ich gedacht: Warum sollte ich wegen ihm alles aufgeben?“ Im Zweifel würde er sie doch wieder aufspüren. So wie im Winter, als sie nach dem Besuch eines Schnellrestaurants in ihr Auto stieg und er unvermittelt die Beifahrertür aufriss . Den Vorfall hat Anna mit einem Handyvideo festgehalten – was zulässig ist, wenn sie ihn auf dem Video deutlich hörbar darauf hinweist, dass sie ihn filmt. „Mach die Tür zu“, schreit sie mehrmals. „Ich geh jetzt zur Polizei.“ Seine lakonische Antwort: „Viel Spaß!“ Immer wieder wandte sich Anna in ihrer Verzweiflung an die Polizei. Diese riet ihr, weiter in jedem Einzelfall Anzeige zu erstatten.

Das Polizeipräsidium Ludwigsburg will sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern. „Grundsätzlich fertigt die Polizei bei jedem Stalkingfall eine sogenannte Gefährdungsanalyse an, in der weitere Maßnahmen geprüft werden und eine Gefahrenprognose erstellt“, erklärt die Kriminalhauptkommissarin Karin Stark vom Referat Prävention. Anschließend werde „der Gefährder nochmals auf sein Verhalten angesprochen, es werden Konsequenzen bei weiteren Verstößen aufgezeigt oder bereits weitere Maßnahmen eingeleitet“. Immerhin liegt ein Teil der Anzeigen inzwischen bei der Staatsanwaltschaft in Stuttgart. Über eine Anklage ist noch nicht entschieden. Weitere Fälle bearbeitet die Polizei noch, da jeweils erst die Zeugen vernommen werden müssen.

Nächtliche Anrufe bei den Eltern

„Absurd“ nennt der Stalking-Experte Hafner diesen langen Zeitraum. Zumindest einen Teil der Vorfälle müsse man vorab zur Anklage bringen. Anna bleibt so nur die zweite Variante: Beim Amtsgericht Ludwigsburg wegen jedes einzelnen Verstoßes ein Ordnungsgeld von einigen Hundert Euro gegen ihren ExMann zu beantragen. Dazu rät Hafner Stalking-Opfern generell. „Grundsätzlich kann man sagen, das Gewaltschutzgesetz funktioniert – wenn es die Richter auch anwenden.“ Wolf-Peter Schmid hat im Auftrag von Anna nun für drei Vorfälle Ende April ein solches Strafgeld beantragt. „Bei allem, was wir tun, ist die Frage, ob es die Situation verbessert oder verschlechtert“, sagt er. „Aber schlechter kann es eigentlich nicht werden.“

Über Wochen hinweg hatte zuvor bei Annas Familie nachts das Telefon geklingelt: unbekannter Anrufer. Für rund 80 Euro ließ der Vater eine Fangschaltung auf eigene Kosten legen: Die Anrufe kamen aus einer Telefonzelle an der Ludwigsburger Wilhelmgalerie. Nicht weit entfernt von der ehemals gemeinsamen Wohnung, das ist aber noch kein Beweis. Ein anderes Mal tauchte Adam bei Annas Tante auf, um sie über einen angeblichen neuen Freund seine Ex-Frau auszufragen. Sie vermutet, dass er deshalb wieder aktiver wurde, weil das Annäherungsverbot zunächst nur bis Ende April gegolten hatte. Inzwischen hat es das Gericht um ein halbes Jahr verlängert.

Ruhe ist nicht eingekehrt: Ende Mai dröhnte mehrmals spätabends albanische Musik über die Straße vor dem Haus von Annas Familie. Als sie das Handy ans Fenster hielt, um den Ex-Mann in seinem Wagen zu filmen, brauste er  davon. „Dafür interessierte sich die Polizei dann sehr“, erzählt Anna nicht ohne einen Anflug von Bitterkeit. „Er hat nämlich anscheinend gerade keinen Führerschein.“

Und so geht es jetzt eben weiter. Anna versucht, sich die tägliche Belastung nicht groß anmerken zu lassen. „Es nutzt ja nichts. Ich sage mir, wenn er mich wirklich umbringen wollte, hätte er es schon getan.“