Katharina Ferner ist die erste Lyrikerin, die als Stipendiatin im Stuttgarter Schriftstellerhaus arbeitet. Ihre Erfahrungen vor Ort fließen in ihr Werk ein – dazu gehören auch schwäbische Dialektworte, Juchtenkäfer und Mauereidechsen.

Digital Desk: Ann-Kathrin Schröppel (aks)

Stuttgart - Ihr roter halblanger Mantel flattert sachte in der Frühlingsbrise, die über den sonnigen Schlossplatz streicht. Mit schnellen Schritten nimmt sie die Treppe zum Kunstmuseum und steuert einen kleinen Tisch im Café des Erdgeschosses an. Sie bestellt einen Kaffee, ihr erster an diesem Tag.

 

Katharina Ferner, geboren in Salzburg, studierte Slawistik und Russisch in Wien und lebt jetzt für drei Monate in Stuttgart – als erste Inhaberin des neu ins Leben gerufenen Lyrik-Stipendiums des Schriftstellerhauses in der Kanalstraße. Die Einrichtung vergibt seit 1984 jährlich drei Wohn- und Arbeitsstipendien, jeweils mit 4000 Euro dotiert. Zu Gast waren seither fast achtzig Autoren und Autorinnen aus dem In- und Ausland. „Ich habe sehr gehofft, für das Stipendium ausgewählt zu werden“, sagt die 28-jährige Ferner, „ich habe mich auf das Schreiben hier gefreut. In den ersten Wochen war ich fast den ganzen Tag beschäftigt und habe oft an mehreren Texten gleichzeitig gearbeitet.“

Vor wenigen Tagen ist ihr erster Gedichtband erschienen. Schon der Titel setzt auf konsequente Kleinschreibung: „nur einmal fliegenpilz zum frühstück“. Die Themen darin sind Umwelt und Natur, teils verfasst in Mundart. „Die Dialektgedichte sind in österreichischem Dialekt verfasst. Dazu gibt es eine Übersetzung ins österreichische Deutsch oder in eine andere Varietät, die mich umgibt“, sagt die Autorin.

„Bruddeln“ ist mehr als nur ein Wort

Der Dialekt ist einer der Hauptbereiche, in denen sich Ferner derzeit mit ihrer Lyrik bewegt. „Dialekte sind eine Art Fremdsprache, und für fremde Sprachen habe ich mich schon immer begeistert“, sagt die Dichterin, die fünf Fremdsprachen beherrscht. Zu ihrem Geburtstag vor wenigen Wochen habe sie einen Band von „Asterix und Obelix“ auf Schwäbisch bekommen, der gut zu ihrer aktuellen Arbeit passe, verrät die Autorin. „Seit ich in Stuttgart lebe, übersetze ich für meine Werke oft Wörter aus dem Schwäbischen in österreichische Dialektausdrücke. Viele Querbedeutungen lassen sich gar nicht in Hochsprache übersetzen. Diese Unterschiede zu erarbeiten macht mir wahnsinnig Spaß.“ Kürzlich stieß sie auf das schwäbische „Bruddeln“. Zuerst habe sie daran gedacht, es mit „Granteln“ zu übersetzen, doch das schien ihr in der aggressiven Wortbedeutung zu stark: „Deshalb habe ich mich für ,Motschgan’ entschieden, im Österreichischen klingt das netter.“

Seit das Wetter schöner und die Temperaturen moderater geworden sind, spaziert Ferner gerne durch die Stadt und erkundet die Umgebung. Immer dabei: ihr Schreibbuch, in dem sie Ideen für Texte sammelt. „Momentan schreibe ich viel draußen. Ich bin eine Person, die sich ihre Arbeitsumgebung gut selbst schaffen kann“, sagt sie. Einer ihrer Lieblingsplätze ist die Karlshöhe im Süden der Stadt. Danach dreht sie gerne im Heslacher Schwimmbad ein paar Runden, am liebsten zur Mittagszeit, wenn es nicht so voll ist. Auch die Hügel rund um die Landeshauptstadt faszinieren sie, als nächste Tour hat sich die Österreicherin den Blaustrümpflerweg ausgesucht. „Die Natur hier zu erforschen gefällt mir sehr. So stieß ich auf den Juchtenkäfer und die Mauereidechse, weil ich wissen wollte, welche Umweltthemen in dieser Region eine Rolle spielen.“ Ihre Erkenntnisse lässt sie in ihre Werke einfließen.

Blog im Fachwerk

Wenn Ferner nicht gerade auf den Hügeln unterwegs ist oder durch die Innenstadt flaniert, schreibt sie einen wöchentlichen Blog, der auf der Homepage des Stuttgarter Schriftstellerhauses zu finden ist. Im Fachwerkhaus in der Kanalstraße, unweit des Charlottenplatzes, bewohnt die Lyrikerin eine kleine Dachgeschosswohnung. 2015 erschien ihr erster Roman: „Wie Anatolij Petrowitsch Moskau den Rücken kehrte und beinahe eine Revolution auslöste“. Auf die Frage, was sie persönlich an Sprache fasziniert, antwortet sie: „Alles“ – und lacht. Dann wird sie präziser: „Ich liebe es, neue Wörter zu sammeln, ich liebe Sprachspiele und Bedeutungsverschiebungen und Sprachklänge. Auch die Herkunft von Worten, die Formen und Strukturen der Sprache, finde ich interessant.“ In Stuttgart wird sie sicher noch einige außergewöhnliche Worte finden.