Bei jungen Akademikern sinkt die Bereitschaft, für einen neuen Job umzuziehen oder zu pendeln. Ein Grund dafür ist die Abkehr vom Alleinverdiener-Modell: Wenn beide einen guten Job haben, wird Umziehen schwieriger.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Junge Arbeitnehmer gelten als vergleichsweise mobil. Doch in der Altersgruppe unter 40 Jahren sinkt offenbar die Bereitschaft, eine Wochenendbeziehung zu führen. Das geht aus einer Erhebung der Personalvermittlung Odgers Berndtson hervor. Unter den befragten Führungskräften der Jahrgänge 1981 und später stimmten nur 18 Prozent der Aussage zu, sie würden für den nächsten Karriereschritt „eine räumliche Trennung“ von Partner oder Familie in Kauf nehmen. Unter den 1965 bis 1980 Geborenen zeigte sich dafür immerhin jeder Dritte aufgeschlossen. Für das „Manager-Barometer“ wurden insgesamt 2460 Führungskräfte im deutschsprachigen Raum befragt.

 

Ein Grund für die sinkende Umzugsbereitschaft ist vermutlich der Fachkräftemangel – Chancen auf eine berufliche Verbesserung sehen viele Arbeitnehmer auch in ihrer Region. Doch auch die Abkehr vom Alleinverdienermodell spielt eine Rolle: „Wenn beide Partner berufstätig sind und die Organisation der Haushalts- und Kinderbetreuung mit hohem Aufwand verbunden ist, bewegt sich verständlicherweise keiner mehr gern“, schrieb Odgers-Berndtson-Partner Olaf Szangolies in einem Kommentar zu der Erhebung.

Die mitreisende Ehefrau wird zum Auslaufmodell

In den oberen Führungsetagen tauche dieses Argument nicht auf, stellte Szangolies im Gespräch mit unserer Zeitung klar: „In dieser Gruppe gibt es zwar eine Tendenz, auf den Umzug der gesamten Familie zu verzichten – aber die Bereitschaft, zu pendeln, ist hoch. Bei Jüngeren auf noch nicht ganz so hohen Positionen erleben wir aber zunehmend, dass sie weder umziehen noch pendeln wollen.“

Diese Beobachtung machen auch andere Personalvermittler. „Viele Bewerber wollen nicht an einen anderen Standort wechseln. Wenn die Partnerin einen Beruf hat, den sie fast überall ausüben kann, geht es – aber wenn sie auch in einer Führungsposition tätig ist, nicht“, berichtet Sophie Garbe von Delfs & Associates in Hamburg. Die mitreisende Ehefrau, die ihrem Mann von einer beruflichen Station zur nächsten folgt, wird allmählich zum Auslaufmodell.

Das bestätigt auch Katja Bauer, Partnerin bei der Personal- und Organisationsberatung i-potentials, die sich auf die Suche nach Führungs- und Fachkräften im Digitalbereich spezialisiert hat: „Im digitalen Geschäft gehören sehr viele Fachkräfte der Generation Y an, und wir hören schon oft: ‚Ich kann da nicht hinziehen, das macht meine Frau - beziehungsweise mein Mann - nicht mit.‘“ Zur Generation Y werden die Jahrgänge zwischen 1980 und 1995 gezählt. Für diese Altersgruppe gewinne die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben an Bedeutung, sagt Bauer. „Die Generation Y schaut nicht mehr allein aufs Geld – jedenfalls nicht die Hochqualifizierten, weil deren Basisbedarf einfach abgedeckt ist. Sie optimieren auf Zeit, nicht auf das Monetäre.“

Die Unternehmen müssen sich anpassen

Odgers-Berndtson-Experte Szangolies hält zwar für möglich, dass diejenigen, die wirklich hoch hinauswollen, ihre Einstellung ändern. „Aber auch die Unternehmen werden sich anpassen müssen.“ Nicht jeder Mitarbeiter müsse jeden Tag im Büro sein: „Schon heute sind Videokonferenzen und auch die Arbeit im Home-Office Standard, solange es sich nicht um große Teams oder das Top-Management handelt.“

Die meisten Firmen legen allerdings noch Wert darauf, dass ihre Angestellten zumindest den Großteil ihrer Arbeitszeit im Unternehmen verbringen. Zu den Ausnahmen gehört der Software-Riese SAP: Dort ist gemäß Betriebsvereinbarung nur ein Präsenztag pro Woche zwingend vorgeschrieben.

Die Realität sieht freilich anders aus: „Im konzernweiten Durchschnitt verbringen die Mitarbeiter zwei Tage pro Woche am heimischen Schreibtisch“, sagt ein Sprecher. Den meisten sei der persönliche Austausch mit Kollegen im Büro sehr wichtig. Aber die Flexibilität, die durch die Betriebsvereinbarung möglich wird, sei ein wichtiges Argument auch bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter: „Seit wir das öffentlich kommunizieren, sind unsere Bewerberzahlen deutlich gestiegen – allein von 2017 auf 2018 um 25 Prozent.“ Wohl auch, weil das Pendeln an den Unternehmensstandort Walldorf für Mitarbeiter mit einem anderen Hauptwohnsitz leichter wird, wenn sie Montag und Freitag zuhause bleiben können.

Die Firmen ziehen zu den Fachkräften

Einige Firmen bringen inzwischen sogar die Arbeit dorthin, wo besonders viele Experten einer bestimmten Fachrichtung zu finden sind. Der Baustoffhersteller Knauf im fränkischen Iphofen beispielsweise eröffnete 2018 „Digital Hubs“ in München und Chicago. Der Discounter Lidl aus Neckarsulm hat ein Digitalbüro in Berlin eingerichtet. Und Konkurrent Rewe hat ein kleines Team für die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle im thüringischen Ilmenau aufgebaut, weil es dort eine renommierte Technische Universität gibt.

Dass ein Unternehmen zwecks Rekrutierung einer begehrten Fachkraft auch für deren Anhang eine Stelle sucht, ist dagegen noch die Ausnahme: „In Großkonzernen ergibt sich manchmal, dass sich außer für die gesuchte Führungskraft auch für die Partnerin oder den Partner eine Stelle findet. Aber das erlebe ich keine zwei Mal im Jahr“, sagt Szangolies.