Die neueste Muse des Pariser Modeschöpfers ist eine Katze. Sie führt Tagebuch, twittert Gehässigkeiten und hält zwei Dienstmädchen in Atem. Choupette versetzt die Szene in Entzücken.

Paris - Muse Karl Lagerfelds? Das ist doch Toni Garrn. Oder hat König Karl die Blondine schon wieder vom Hof gejagt, die er als „noch so jung und schon so elegant und souverän“ in den siebten Model-Himmel gelobt hatte? Und wenn sie verstoßen wurde, hat der Modeschöpfer die 21-jährige Hamburgerin womöglich begnadigt und zurückgeholt? Genau weiß das wohl nur der Designer selbst.

 

Das Musenkarussell des seit drei Jahrzehnten in den Diensten Chanels stehenden Meisters dreht sich immer schneller. Eben noch als Inspirationsquelle gepriesen, fallen Angehimmelte auch schon dem Vergessen anheim. Bisweilen folgt der Laudatio sogar üble Nachrede. Beth Ditto etwa, die füllige Sängerin der Band Gossip, war als angenehme Abwechslung für ein Hungerhaken überdrüssiges Publikum auf den Laufsteg geholt, gefeiert, wieder heruntergeschickt und von Lagerfeld schließlich als „zu fett“ beschimpft worden.

Diese Muse lebt mit Meister unter einen Dach

Was nicht heißt, dass sie nicht irgendwann dorthin zurückkehrt. Inès de la Fressange und Claudia Schiffer sind jedenfalls beide wiedergekommen, die eine mit 54, die andere mit 40 Jahren. Beständig ist im Kosmos des unermüdlich Kreativen eben nur der Wechsel.

Aber vielleicht ändert sich ja nun auch das. Die allerneueste Muse ist dem Meister nämlich näher gekommen als alle anderen. Sie lebt mit dem 78-Jährigen in Paris unter einem Dach, heißt Choupette, zu Deutsch Schnuckilein oder Schätzchen, hat am 19. August ihren ersten Geburtstag gefeiert und ist eine Siamkatze.

Lagerfeld und Choupette scheinen füreinander geschaffen. Die Ähnlichkeit ist verblüffend. Nicht, dass die Auserwählte mit gepudertem Mozartzopf herumliefe und die Welt am liebsten durch dunkle Sonnenbrillengläser betrachtete. Aber wie Lagerfeld besitzt Choupette ein Lästermaul und leistet sich jede Menge Extravaganzen. Während der Modeschöpfer, Designer, Fotograf und Kostümbildner etwa bei Interviews einen Kellner im weißen Jackett aufmarschieren lässt, der mit einem Tablett und einem Glas Cola light stumm an der Seite des Genius ausharren muss, lässt sich Choupette rund um die Uhr von zwei Dienstmädchen verwöhnen.

Choupette ist eine Prinzessin und wird genauso behandelt

Choupettes blaue Augen haben es Karl Lagerfeld angetan. Der Farbton findet sich in den jüngsten Kreationen des Modemachers wieder. „Sie ist eine Prinzessin“, schwärmt er über die Gefährtin. Standesgemäß diniert die in den Adelsstand Erhobene nicht auf dem Boden, sondern an einer Tafel, wo Choupette auch nicht aus einem Napf isst, sondern von mehreren Tellern. „Sie hat einen für Wasser, einen für ihre kleine Krokette und einen für ihre Leberpastete, und trifft dann ihre Wahl“, verrät Lagerfeld. Natürlich lässt sein tierisches Alter Ego auch nicht irgendwen an ihren Krallen herummachen. Für die Maniküre sei allein der Tierarzt zuständig. Und selbstverständlich schlafe Choupette in einem richtigen Bett und habe ein Kopfkissen.

Was der Modekönig früheren Musen verübelte, der Katze sieht er es nach. Als Audrey Tautou öffentlich beichtete, dass sie kaum Chanel-Kleider trägt, war das Zerwürfnis mit der für Chanel No. 5 werbenden Französin besiegelt. Choupette hat naserümpfend wissen lassen, dass ihr Chanel No. 5 zutiefst zuwider ist. Lagerfeld hat das mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen.

Niemand ist vor ihrer spitzen Katzenzunge sicher

Außenstehende mögen über ein restlos verzogenes Katzenkind herziehen. Dem Hausherrn ist das egal. „Ja, sie ist mehr als nur verwöhnt“, räumt er ein. Entwöhnen will er sie nicht. In seiner Begeisterung macht er vielmehr Anstalten, zum Kater zu mutieren. Für ein Foto in „Harper’s Bazaar“ hat er die Ohren gespitzt. Und was da am oberen Bildrand aufragt, gleicht Choupettes Lauschern bis zum letzten Fellhärchen. Ein Phänomen ist das, welches die Wissenschaft ja bereits bei Hundehaltern ausgemacht hat, die sich ihren Lieblingen anzugleichen vermögen, bis sie irgendwann wie Doggen oder Pinscher dreingucken.

Womöglich nominiert der Modeschöpfer das Tier sogar für den nächsten Lagerfeld-Catwalk, lässt es gestiefelt über den Laufsteg stolzieren. Choupette hätte das Zeug dazu. Sie fällt nun einmal aus der Art. Wie andere Katzen tollt sie zwar mit Plastiktüten herum. Aber sie tut eben auch noch ganz andere Sachen. Sie tummelt sich im Internet, lässt ihre Pfoten über den Touchscreen ihres iPads gleiten, führt Tagebuch, twittert. Aufschreiben müssen das Alltägliche allerdings die Dienstmädchen. Sie halten etwa fest, ob Lagerfelds Liebling einen längeren Schönheitsschlaf gehalten hat als am Vortag und was sie zu verspeisen liebte. Niemand ist vor Choupettes spitzer Katzenzunge sicher, nicht einmal die Betreuerinnen. Das Personal tue nutzlose Dinge und sei leicht zu manipulieren, twitterte die kleine Diva kürzlich. Mehr als 17 000 Menschen folgen dem Tier bereits (@ChoupettesDiary). Die Modewelt zeigt sich entzückt. Ob tiefschürfend oder sinnfrei, die Worte der Mieze finden auf Mode-Blogs weltweites Echo. Mag sein, dass Lagerfeld irgendwann selbst seiner Choupette überdrüssig wird. Verstoßen wird er sie deshalb aber noch lange nicht. Bestimmt wird sie, sozial bestens vernetzt, bis ans Ende ihrer Tage ihre Gnadenleberpastete bekommen.