Tatsächlich wird immer wieder ins Feld geführt, dass die Musikvereine eine günstigere Ausbildung anbieten.
Neher: Wir kooperieren in Schorndorf mit sieben Musikvereinen und bilden vor Ort den Nachwuchs für diese aus. Das heißt: die Musikvereine sind unsere Vertragspartner und die Schüler bekommen dann eine Ermäßigung. Der Musikverein schätzt unsere Qualität, die Zuverlässigkeit und die Erfahrung.
von Roth: Das ist bei uns genauso. Viele Musikvereine befürchten einen Nachwuchsmangel und versuchen deswegen, zusammen mit uns eine attraktive Ausbildung anzubieten.
Neher: Und es gibt natürlich schon einen Unterschied, der sich auch in den Kosten niederschlägt: Bei den Musikvereinen unterrichten oftmals ausgebildete Amateure. Die machen das gut, ich will das überhaupt nicht herabwürdigen, aber wir hingegen arbeiten meist mit professionellen Lehrkräften, die an einer Musikhochschule studiert haben.
von Roth: Vor allem im Bereich der Kooperationen sind die Musikvereine ein unverzichtbarer Partner geworden.
Inwiefern?
von Roth: Gerade die Bläserklassen an den Grundschulen könnten wir ohne sie nicht anbieten. Wir haben schlicht nicht genug Leihinstrumente. Die Vereine stellen die Instrumente, die Schulen die Schüler, wir die Lehrkräfte.
Solche Maßnahmen sind auch nötig, um die allgemein eher sinkenden Schülerzahlen aufzufangen. Wie können Sie diesen noch entgegenwirken?
von Roth: Es muss uns gelingen, an den weiterführenden Schulen Fuß zu fassen. Das scheitert bisher oft an den Räumen. Dabei wäre es toll, wenn jemand, der in der Grundschule die Bläserklasse besucht hat, in der 5. Klasse an seiner neuen Schule weitermachen und darauf aufbauen könnte. Auch denke ich, dass wir uns noch mehr mit der Schulmusik verzahnen müssen. Wir haben doch ein gemeinsames Interesse: Wir wollen Kinder und Jugendliche für Musik begeistern. In Metzingen hat die Musikschule nach den Herbstferien an zwei Grundschulen den Musikunterricht übernommen, das finde ich toll.
Hat denn das Modell Musikschule überhaupt noch Zukunft?
Neher: Auf jeden Fall. Wir haben in den vergangenen Jahren gezeigt, wie entwicklungsfähig wir sind. Da ist sehr viel passiert, zum Beispiel bei den Schulkooperationen oder im Bereich Musikgeragogik. Wir kooperieren in Schorndorf derzeit mit vier Senioreneinrichtungen.
von Roth: Was inzwischen bei uns auch selbstverständlich geworden ist, ist das gemeinsame Musizieren von Menschen mit und ohne Behinderung. Ich denke, das zeigt, wie sich die Musikschule geöffnet hat und dass sie eben keine elitäre Bildungseinrichtung mehr ist.
Wobei nicht von der Hand zu weisen ist, dass Eltern viel Geld in die Hand nehmen müssen, wenn ihre Kinder an der Musikschule ein Instrument lernen.
von Roth: Jede Kommune entscheidet selbst, wie hoch die Gebühren sind.
Neher: Wir versuchen natürlich, niederschwellige Angebote zu machen. Aber Unterricht hat seinen Preis und die Lehrkräfte leben davon.
von Roth: In der Schweiz wurde das Recht auf musikalische Grundbildung gesetzlich verankert. Ich finde, das wäre auch bei uns einmal ein wichtiger gesellschaftlicher Diskurs. Denn mit Musik können unheimlich viele Werte vermittelt werden. Musik braucht Konzentration und strukturelles Herangehen ...  
Neher: …Durchhaltevermögen und Selbstdisziplin.
von Roth: Und letztlich ist es eine Kernaufgabe, die Menschen zu ermächtigen, gute von schlechter Musik zu unterscheiden. Wenn sie das auseinanderhalten können, ist schon viel erreicht.