Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Heimat ist meist eher ein Gefühl als ein Ort. Lange hat man gerade in Deutschland mit Blick auf die Geschichte, den Zweiten Weltkrieg und die Philosophie der Nationalsozialisten Heimatliebe nicht gerade zelebriert. Dabei reicht das Gefühl weit zurück: Die Deutschen hätten sich bereits Ende des 19. Jahrhunderts genötigt gefühlt, in einer „Heimatschutzbewegung“ die bedrohte Idylle zu bewahren, schreibt die Journalistin Verena Schmitt-Roschmann. „Regionalismus, lokale Verwurzelung und die Idealisierung der Natur“ gebe es auch anderswo. „Aber der deutsche Kult, diese fast religiöse Überhöhung, das ist schon etwas sehr eigenes.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg ist mit Tausenden von Heimatfilmen eine Industrie entbrannt, die in den vergangenen 60 Jahren noch jeder Krise trotzte – die bei den 68ern, der Generation Golf und den Babyboomern aber bei weitem keine Lobby fand, im Gegenteil.

 

Das hat sich nun seit einigen Jahren geändert. Lokalpatriotismus boomt. Gerade in Zeiten des Internets: Angefangen hat es mit Facebook-Seiten, Büchern und Zeitschriften, die eine Zugehörigkeit zu einer Stadt signalisierten. Da gibt es das „Unnütze Stuttgartwissen“, „Kesselfieber“ oder Seiten mit „Dinge, die du nur witzig findest, wenn du aus Stuttgart kommst“. Das lässt sich beliebig auf jede Stadt übertragen und zeigt dem, der es versteht: Du gehörst dazu. Das Marketing greift das Gefühl geschickt auf: Von der Supermarktkette über die Trachtenhändler bis hin zu Buch- und Zeitschriftenverlagen wollen alle profitieren.

#Heimatliebe wird inflationär verwendet

In den sozialen Netzwerken wird der Hashtag #Heimatliebe inflationär verwendet. Das dazu passende Bild darf gerne malerische Sonnenuntergänge über dem Stuttgarter Kessel zeigen oder etwas plump: den Fernsehturm. Lokalpatriotismus kennt keine Grenzen des Kitsches mehr. Das reicht von Instagram-Fotos vom schönen Zuhause bis hin zur Liebe zu Regionalkrimis und dem Gin vom Produzenten nebenan. Wir pflanzen Gemüse auf dem eigenen Balkon und kochen Omas Lieblingsgerichte nach. „Dabei geht es nicht nur darum, kreativ zu sein, sondern um die Versicherung der eigenen Lebenswelt“, sagt die Ethnologin Simone Egger.

Wer ständig in der ganzen großen Welt zu Hause ist, wie viele junge Menschen heute während des Studiums und danach, hat es schwer ein Gefühl von Heimat zu entwickeln. Vermutlich deshalb ist der Begriff inzwischen in Deutschland wieder positiv besetzt: „Das ist fast schon Popkultur“, sagt Egger, die sich in ihrem Buch „Heimat – wie wir unseren Sehnsuchtsort immer wieder neu erfinden“ mit diesem Hype beschäftigt hat. Heimatliebe ist jetzt cool. Für Egger ist klar, warum gerade junge Menschen diese so stark ausleben: „Diese Generation muss sich nicht mehr abgrenzen.“ Wie selbstverständlich stellen sie sich alte Kuckucksuhren aus dem Schwarzwald in ihr Wohnzimmer – in pink. „Junge Menschen färben Traditionelles einfach knallbunt ein.“ Damit erklärt sie auch den Trend zur Trachtenmode: „Kleider wie ein Dirndl oder eine Lederhose transportieren nichts ethnisches, sondern ein positives Lebensgefühl.“ Jeder kann sich darin ein bisschen bayerisch vorkommen.