In der neuen Porsche-Manufaktur in Stuttgart laufen die letzten Vorbereitungen vor dem Start der Serienproduktion des Supersportwagens Porsche 918 Spyder. Gut betuchte Kunden gehen dort ein und aus ein.

Stuttgart - Vor drei Jahren erhielt Michael Drolshagen vom Porsche-Vorstand den Auftrag zum Aufbau eines „Leuchtturmprojekts“, wie er es nennt. Der Wirtschaftsingenieur sollte als Produktionschef des Porsche 918 Spyder eine Manufaktur für die Fertigung dieses Hybrid-Supersportwagens im Stammwerk Zuffenhausen aufbauen. Zur Vorbereitung auf seine neue Aufgabe ging der 42-Jährige, der im Jahr 2000 bei Porsche im Entwicklungszentrum Weissach angefangen hatte, erst einmal auf Reisen: Der Porsche-Mann begutachtete, wie Luxuswagen anderer Marken mit viel Handarbeit hergestellt wurden.

 

Er fuhr nach Großbritannien zu Rolls-Royce und Bentley, nach Italien zu Lamborghini und nach Neckarsulm, wo der Luxussportwagen Audi R8 zusammengebaut wird. Welche Fertigungsumfänge gehören in eine Manufaktur und was kann anderswo erledigt werden? Wie muss die Montage gestaltet sein, damit die Kunden die hohe Wertigkeit der Wagen erkennen, die pro Stück fast 770 000 Euro kosten? Dies waren die Fragen, die Michael Drolshagen damals umtrieben.

In der 4000 Quadratmeter großen Manufaktur im zweiten Stock des Fabrikgebäudes in Zuffenhausen war früher die Lackiererei. Heute fallen hier zunächst die in „acid green“ (Lichtgrün) gestrichenen Stirnwände auf. Die grüne Farbe findet sich auch auf den Bremsen des 918 Spyder und soll symbolisch für eine grüne Technik stehen, bei der die Leistung eines Supersportwagens mit dem Verbrauch eines Kleinwagens kombiniert wird. Auf einer Wand steht ein großes Zitat von Ferry Porsche: „Wir haben uns nicht damit begnügt, einen Sportwagen zu bauen, der nur sportlich ist.“ Dieser Satz passe gut zum 918 Spyder, der Sportlichkeit mit Alltagstauglichkeit verbinde und keine spezielle motorsportliche Fahrausbildung erfordere, begründet Drolshagen die Auswahl dieses Zitats.

Noch werden in der Manufaktur keine Autos für Kunden hergestellt, erläutert der Produktionschef. Dies soll erst gegen Ende des Jahres erfolgen. Die ersten Wagen werden dann im nächsten Jahr ausgeliefert oder von den Kunden in Zuffenhausen abgeholt. Etwa vom März des kommenden Jahres an soll die Fertigung voll laufen. Dann sollen vier Autos am Tag gebaut werden.

Derzeit werden in der Manufaktur die letzten Vorserienfahrzeuge des 918 Spyder produziert, es geht um den letzten Feinschliff für den Fertigungsprozess. Entwickler und Vertreter der Lieferanten tauschen sich mit den Mitarbeitern der Manufaktur aus. Auf großen Flipcharts wird notiert, was noch verbessert werden muss: Wo hat ein Bauteil geklemmt? Welcher Kabelstrang ist zu lang und muss kürzer angeliefert werden? Wo stimmt die Reihenfolge beim Einbau bis jetzt nicht? „Die Werker sollen den Fertigungsprozess aktiv mitgestalten“, erläutert der Produktionschef die Vorgehensweise. Der Andrang auf die Stellen in der Manufaktur war groß, berichtet Drolshagen. Es gab mehr als 700 interne Bewerbungen für die rund 80 Stellen. Schon im vorletzten Oktober begann die Auswahl. Mitarbeiter aus der Manufaktur waren auch dabei, als die Prototypen auf Rennstrecken getestet wurden.

Etwa die Hälfte der Fertigungsfläche entfällt auf die Vormontage. Hier werden die Türen und Dächer zusammengebaut und dort befindet sich auch die Lederabteilung. Porsche legt beim 918 Spyder sehr viel Wert auf eine luxuriöse Innenausstattung. Mehr als doppelt so lange wie beim 911er, nämlich rund zwölf Stunden dauert es, bis ein Wagen komplett mit Leder ausgestattet ist. Allein rund 40 Minuten dauert es, bis das Leder für eine Sonnenblende mit 200 Stichen und einer Kreuznaht verschlossen ist.

Zwei Stationen von der Lederabteilung entfernt steht in der Motorenmontage der einzige Roboter der Manufaktur. Er trägt mit höchster Präzision gleichmäßig eine dünne Dichtungsmasse auf. Der V8-Motor wird in 17 Stunden komplett von einem Mitarbeiter zusammengebaut. „Wir wollen damit eine persönliche Verbundenheit der Werker mit ihrem Produkt erreichen“, sagt Drolshagen.

Nicht nur beim Leder und Motor, sondern auch in der Montage sind die Arbeitsumfänge für die Beschäftigten deutlich größer als bei der Fertigung der anderen Porsche-Modelle. Eine Arbeitsstation beim 918 Spyder umfasst 111 Minuten, beim 911er beträgt der Takt vier Minuten. Damit es sehr leise zugeht, werden keine Pneumatikschrauber verwendet, sondern Schrauber mit Lithium-Ionen-Akkus, die kabellos per Bluetooth mit der EDV kommunizieren. Es gibt auf dem grauen Hallenboden auch kein Fließband. Vielmehr sind die Fahrzeugkomponenten auf Hubwagen befestigt, die von Station zu Station transportiert werden.

Anders als in der klassischen Autoproduktion, die mit einer leeren Karosserie beginnt, wird in der Manufaktur die Karosserie erst am Ende des Fertigungsprozesses am Fahrzeug angebracht. Am Anfang der Montagelinie wird das von einem österreichischen Zulieferer kommende Monocoque aus leichtem kohlefaserverstärktem Kunststoff – also eine Fahrgastzelle ähnlich wie im Rennwagenbau – mit dem Motorenträger verschraubt. Wie eine Nussschale umschließt es die beiden Sitze.

Schritt für Schritt kommen dann Kühler und Kühlleitungen, Achsen, die Außenhaut und der Unterboden hinzu. Die Flüssigkeiten werden eingefüllt, die Achsen vermessen. Jeder Wagen wird dann am Schluss unter hellem Neonlicht in Augenschein genommen. Anschließend geht es mit dem Fahrstuhl hinunter zu den Prüfstationen, die auch für die anderen Sportwagen genutzt werden.

Drolshagen berichtet, dass das Interesse an einer Besichtigung der Manufaktur bei der gut betuchten Klientel groß sei. Er habe schon einige Dutzend Kaufinteressenten durch die Halle geführt. Kürzlich erst habe sich „ein netter Herr aus einem arabischen Land“, der gleich mehrere 918 Spyder bestellt habe, danach erkundigt, wie viel Zeit er denn aufbringen müsse, wenn er bei der Produktion seiner Wagen dabei sein wolle. Drolshagen sind solche Gäste in der Manufaktur herzlich willkommen. „Wer einen 918 Spyder kauft, kann sein Fahrzeug gerne begleiten“, versichert der Porsche-Manager.

Mit dem 918 Spyder will Porsche ein Zeichen setzen

Paukenschlag
: Der Porsche 918 Spyder wurde zunächst als Fahrzeugstudie auf dem Genfer Autosalon im März 2010 vorgestellt. Die Studie war mehr als nur ein mögliches Fahrzeugprojekt. Nachdem Porsche jahrelang vor allem Schlagzeilen im Kampf um die VW-Übernahme und im Zusammenhang mit Finanzzockereien gemacht hatte, sollte nun der Blick auf die Autos zurückgelenkt werden. „Wir wollen ein Produkt bringen, das die Menschen fasziniert, einen Paukenschlag, über den wieder ins Blickfeld gerückt wird, dass Porsche eine Ideenschmiede ist, die Zeichen setzen und die Spitze der technischen Entwicklung markieren kann“, sagte der damalige Porsche-Chef Michael Macht in einem StZ-Interview über die Bedeutung dieses grünen Sportwagens.

Technik
:Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA)hat der Porsche 918 Spyder im vergangenen September Weltpremiere gefeiert. Der Supersportwagen mit Hybridantrieb kombiniert einen Verbrennungsmotor mit einem Elektroantrieb an der Hinterachse und einem zweiten Elektromotor an der Vorderachse. Der Sportwagen beschleunigt nach Angaben des Herstellers in 2,8 Sekunden von null auf 100 km/h und soll einen Normverbrauch zwischen 3,0 und 3,3 Liter auf 100 km haben. Der Hersteller weist allerdings darauf hin, dass der Verbrauch auch von der Fahrweise abhängt. Im Alltag dürfte der Verbrauch bei sportlicher Fahrweise deutlich höher liegen als nach dem Fahrzyklus, der als Norm bei der Verbrauchsmessung gilt.

Manufaktur:
Der 918 Spyder ist in gewisser Weise ein Nachfolger des Porsche Carrera GT. Auch dieser Supersportwagen wurde in limitierter Auflage in einer Manufaktur hergestellt. Diese befand sich allerdings im Werk Leipzig. Von 2003 bis 2006 wurden insgesamt 1270 dieser Sportwagen mit Zehnzylindermotor in Handarbeit hergestellt. Die Preisliste begann bei rund 452 000 Euro. Wie beim 918 Spyder bestand die Fahrerkabine und der Motorenträger aus kohlefaserverstärktem Kunststoff. Vom 918 Spyder sollen 918 Exemplare hergestellt werden. Welches Modell anschließend in der Zuffenhausener Manufaktur in Kleinserie hergestellt wird, ist noch nicht bekannt. Möglicherweise wird es ein Supersportwagen in der Preisklasse von Ferrari – also zwischen 911er und 918 Spyder. Porsche wird voraussichtlich im nächsten Jahr entscheiden,ob solch ein Auto produziert wird.