Überall auf der Welt ist die Bereitschaft der Menschen groß, für die Opfer des Taifuns „Haiyan“ auf den Philippinen zu spenden. Das gilt nicht für die Regierungen – auch nicht für die in Berlin.

Ormoc - Es sind mittlerweile 22 000 Vermisstenmeldungen, die beim philippinischen Roten Kreuz eingegangen sind, seit der Taifun „Haiyan“ gewütet hat. Die Zahl legt nahe, dass die offiziellen Angaben von 4000 Toten weit von der Wirklichkeit entfernt sind. Die Vereinten Nationen mussten zudem die Schätzungen der Obdachlosen im Katastrophengebiet am Wochenende von 700 000 auf zwei Millionen erhöhen. Das Desaster ist offenbar weitaus schlimmer als die philippinische Regierung der Philippinen gegenwärtig angibt. Angesichts des Ausmaßes sind die Hilfsorganisationen heilfroh, dass der Taifun in der ganzen Welt eine massive Spendenbereitschaft ausgelöst hat.

 

Doch im Gegensatz zu ihren Bürgern reagieren viele Regierungen mehr als zurückhaltend. Die Regierung in Berlin stellt in dieser Phalanx des Geizes keine Ausnahme dar. Einerseits verkündet der Außenminister Guido Westerwelle stolz: „Deutschland ist solidarisch mit den Menschen auf den Philippinen. Ich freue mich ganz besonders über die großherzige Spendenbereitschaft der Deutschen.“ Andererseits verhält sich der Außenminister selbst eher engherzig. Gerade mal 6,5 Millionen Euro hat das Auswärtige Amt dem Bündnis „Deutschland Hilft“ und anderen internationalen Organisationen zur Verfügung gestellt. Wenn man berücksichtigt, dass sich das Bündnis aus 20 Hilfsorganisationen das Geld teilen muss, rücken die jeweiligen Anteile beschämend nahe an die dürftigen 67 000 Dollar, die China bisher aufgebracht hat.

Nur 19 Prozent der von den UN geforderten Summe

Auch die Vereinten Nationen, die auf Wunsch der Philippinen die Nothilfe koordinieren, erleben eine geringe Spendenbereitschaft. Auf ihren internationalen Appell hin, etwa 300 Millionen Euro an Katastrophenhilfe bereitzustellen, kamen bisher Zusagen in Höhe von gerade mal 19 Prozent der geforderten Summe, nämlich etwa 60 Millionen Euro. „Die internationale Reaktion auf die Katastrophe ist völlig unzureichend“, schimpft Barry Andrews, der Leiter der irischen Hilfsorganisation „GOAL“.

Er spricht aus, was auch viele Vertreter der in „Deutschland Hilft“ zusammengeschlossen Hilfsorganisationen denken. Doch sie schweigen lieber – aus Furcht, es sich mit dem Auswärtigen Amt zu verderben. Dabei sind laut Informationen dieser Zeitung viele Vertreter empört über Westerwelles geringe Hilfsbereitschaft.

Sie wären schon froh, wenn sich der abgewählte Außenminister zum Ende seiner Amtszeit finanziell ein wenig am Beispiel Großbritanniens orientieren würde. London stellte schon wenige Stunden nach dem Taifun 24 Millionen Euro zur Verfügung. Die Summe löste eine Art Wettrennen unter den Hilfsorganisationen aus. Je schneller sie vor Ort Hilfskonzepte vorlegten, um so schneller erhielten sie Gelder – und die Überlebenden Hilfe.

Präsident Aquino versucht seinen Ruf zu retten

In Kritik geraten ist auch der philippinische Präsident Benigno Aquino – wegen der nur schleppend angelaufenen Hilfe und weil er und seine Regierung anfangs versucht hatten, die Katastrophe klein zu reden. Die Zahl der Toten sei geringer als befürchtet, hatte Aquino behauptet. In der philippinischen Bevölkerung hat der Präsident dadurch viel von seiner Glaubwürdigkeit eingebüßt.

Am Sonntag war Aquino deshalb erneut ins Katastrophengebiet gereist, dieses Mal in die zerstörte Stadt Guiuan auf der Insel Samar, wo der Taifun am 8. November als erstes eintraf. In der Hoffnung, seinen ramponierten Ruf wieder zu reparieren, versprach er den Menschen, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um sie schnell mit dem Nötigsten zu versorgen.

Vor zehn Tagen galt Aquino noch als Star in Südostasien. Die Wirtschaft des Landes brummte mit einem jährlichen Zuwachs um die acht Prozent. Seine Kampagne gegen Korruption – nicht sehr wirkungsvoll, aber gutklingend – steigerte zusätzlich seine Beliebtheit. Nun bezeichnen ihn die Philippinen als „Windbeutel“, als einen, dem man kein Wort glauben sollte.