Naturparkführerin und Pilzsachverständige Beate Siegel spricht im Interview über sicheres Sammeln, typische Fehler und die Faszination Pilz.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Wer Pilze sammeln möchte, sollte sich auf Arten beschränken, die er sicher kennt. „Wer leichtsinnig agiert, spielt unter Umständen mit dem eigenen Leben – und dem Leben anderer.“ Mit diesen Worten macht Beate Siegel, Pilzsachverständige, deutlich, warum Pilzesammeln Verantwortung bedeutet. Im Gespräch erklärt die Naturparkführerin aus Auenwald (Rems-Murr-Kreis), welche Regeln Anfänger beachten sollten, warum der Weidenkorb immer noch unschlagbar ist – und weshalb die große Pilzausstellung in Großerlach-Grab ein Muss für Laien ist.

 

Frau Siegel, derzeit zieht es viele in die Wälder. Was ist die wichtigste Regel beim Pilzesammeln?

Niemals Pilze verzehren, die man nicht hundertprozentig kennt. Um tödliche Vergiftungen auszuschließen, sollten Anfänger Lamellenpilze meiden, da sich in dieser Gruppe die gefährlichsten Arten befinden – etwa der Grüne Knollenblätterpilz. Gut beraten sind Einsteiger, wenn sie nur Röhrlinge sammeln. Hier drohen schlimmstenfalls Magen-Darm-Beschwerden.

Gibt es auch rechtliche Vorgaben?

Ja, in Baden-Württemberg gilt: Pro Person und Tag darf nur ein Kilogramm gesammelt werden. Außerdem sind manche Arten geschützt. Ein Beispiel: Alle Steinpilzarten dürfen nur in geringen Mengen für den Eigenverzehr gesammelt werden. In der Gastronomie und im Handel dürfen deshalb eigentlich keine heimischen Steinpilze angeboten werden.

Warum ist es keine gute Idee, Pilze in Plastiktüten zu sammeln?

Der Weidenkorb ist nach wie vor die erste Wahl. Plastik- oder Jutetaschen sind weder stabil noch luftdurchlässig. Pilze werden darin schnell zerdrückt und verderben. In einem Korb dagegen bleibt die Luftzirkulation erhalten, die Pilze bleiben länger frisch.

Steinpilze sind einfach zu erkennen – und schmecken lecker. Foto: dpa

Welche Fehler begegnen Ihnen bei Sammlern immer wieder?

Viele sammeln alte oder verdorbene Pilze – das ist wie bei schlechtem Fleisch oder Fisch: Man riskiert eine Lebensmittelvergiftung. Ein weiteres Problem sind Maden. Sie entstehen aus Eiern, die Fliegen auf den Pilzen ablegen. Schneidet man den Pilz der Länge nach auf, sieht man oft sofort, ob er befallen ist. Und: Wer Pilze schmutzig in den Korb legt, hat zuhause viel Arbeit und schnell keine Freude mehr am Kochen. Am besten man putzt die gesammelten Pilze direkt im Wald.

Welche Rolle spielt eigentlich der richtige Standort – und wie wichtig ist es, Rücksicht auf den Wald zu nehmen?

Um erfolgreich zu sammeln, sollte man wissen, wo und wann welche Arten wachsen. Es macht keinen Sinn, Sommersteinpilze im Nadelwald zu suchen – hier hilft gute Literatur mit Standortangaben. Wichtig ist auch, vernünftig zu bleiben: Fingerkuppengroße Pilze oder alte Exemplare sollte man stehen lassen, weil sie für das Ökosystem wichtig sind. Ob man Pilze abschneidet oder herausdreht, spielt keine Rolle, beides schadet dem Myzel nicht. Ich verschließe die Stelle anschließend gern mit Moos oder Erde, damit das Pilzgeflecht nicht austrocknet.

Sie bieten Pilzberatung in Murrhardt an. Wie läuft so etwas ab?

Wer sich bei einer Art unsicher ist, kann seine Funde in einer Beratungsstelle vorlegen. Wichtig ist, dass der gesamte Pilz mitgebracht wird, auch die Stielbasis. Außerdem helfen Angaben zum Fundort – ob Nadel-, Laub- oder Mischwald, welche Baumarten in der Nähe standen. Fotos können ebenfalls wertvoll sein. Pilze, die man bestimmen lassen möchte, sollte man getrennt von eindeutig bestimmten Speisepilzen lagern – am besten mit zwei Körben.

Und was passiert, wenn jemand wahllos eine bunte Mischung vorbeibringt?

Das macht keinen Sinn. Wir haben nicht die Zeit, hunderte Arten durchzusortieren. Außerdem werden die Pilze dabei oft zerdrückt. Deshalb mein Rat: Setzen Sie sich ein Ziel – jedes Jahr drei neue Arten kennenlernen, mehr nicht. Für eine Bestimmung reichen drei bis vier Exemplare pro Art, am besten in verschiedenen Altersstufen.

Wie wichtig ist gute Literatur für Einsteiger?

Sehr wichtig. Man sollte nicht nur nach Bildern bestimmen, sondern auch die Texte genau lesen. Gute Bücher erklären Fachbegriffe wie Velumreste oder Sporenpulverfarbe und weisen auf den Naturschutz hin. Für Anfänger reicht ein kleines Werk mit wenigen Arten, zum Beispiel „Einfach sicher Pilze sammeln – Speisepilze und ihre giftigen Doppelgänger“ von Rita Lüder. Praktisch ist ein wasserfester Umschlag, damit man es direkt im Wald nutzen kann.

Den hochgiftigen Knollenblätterpilz sollte jeder Pilzsammler kennen. Foto: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/d

Pilze verderben schnell. Wie sollte man sie lagern und verarbeiten?

Am besten noch am selben Tag zubereiten. Wenn etwas übrigbleibt, hält es sich über Nacht im Kühlschrank. Für die Zwischenlagerung eignet sich ein Sieb. Geschlossene Kunststoffboxen sind tabu.

Wie kann man Pilze haltbar machen?

Die schnellste Methode ist Einfrieren – roh oder blanchiert, je nach Art. Trocknen funktioniert ebenfalls gut, entweder im Dörrapparat oder im Ofen bei 50 Grad. Wichtig: Die Pilze müssen richtig trocken sein, sie sollen beim Anfassen brechen. Auch Einlegen ist beliebt und ergibt tolle Beilagen.

Haben Sie ein Lieblingsrezept?

Ich empfehle, Pilze mit etwas Zwiebel in einer Öl-Butter-Mischung langsam anzubraten – mindestens 15 Minuten gut durchgaren. Dazu Salz, Pfeffer, nach Geschmack Petersilie. Sehr praktisch ist außerdem eine Pilzbutter, die sich einfrieren lässt und Soßen oder Brot verfeinert.

Sie organisieren die große Pilzausstellung am 11. und 12. Oktober in Großerlach-Grab mit. Was erwartet die Besucherinnen und Besucher?

Wir zeigen bis zu 300 verschiedene Arten, die wir im Schwäbischen Wald sammeln. Sie werden auf nachgebildeten Standorten präsentiert, dazu gibt es fachkundige Beratung. Dieses Jahr widmen wir uns dem Thema Giftpilze und erklären, wie die verschiedenen Gifte wirken. Die Ortsgruppe Grab des Schwäbischen Albvereins sorgt für Bewirtung mit Pilzgerichten. Kinder können beim Pilzquiz mitmachen.

Warum lohnt sich ein Besuch besonders für Laien?

Weil man essbare Arten direkt neben ihren giftigen Doppelgängern sieht. Anfänger können mit uns die Merkmale durchgehen und ihre Artenkenntnis vertiefen. Das ist lehrreich – und macht großen Spaß.

Pilzausstellung und Beratung

Ausstellung
Die große Pilzausstellung findet am Samstag, 11. Oktober, von 13 bis 18 Uhr und am Sonntag, 12. Oktober, von 11 bis 18 Uhr in der Schwalbenflughalle, Wiesenstraße 5, in Großerlach-Grab statt. Eintritt: 5 Euro, Kinder bis 12 Jahre frei. Pilzberatung vor Ort möglich.

Beratung
Pilzberatungen gibt es im Naturparkzentrum Murrhardt, Marktplatz 8, an den Sonntagen, 5. Oktober (16 - 18 Uhr), 19. Oktober (15 - 17 Uhr) und 26. Oktober (15 - 17 Uhr). Kosten: 3 Euro