Emmanuel Macron plant ein sozialliberal geprägtes Reformprogramm, während Marine Le Pen auf Protektionismus setzt. Die Ziele der beiden Kandidaten könnten unterschiedlicher kaum sein.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Raus aus der EU oder doch mehr Europa? Die Franzosen werden in der Stichwahl nicht nur über das leitende Personal in ihrem Land entscheiden. Auch die Zukunft der Union liegt in ihren Händen.

 

EUROPA

Die Positionen der beiden Kandidaten beim Thema Europa könnten gegensätzlicher nicht sein. Sollte Marine Le Pen die Wahl gewinnen, will sie die Franzosen in einem Referendum über einen EU-Austritt abstimmen lassen. Zudem will sie den Schengenraum ohne Grenzkontrollen verlassen und „Frankreichs Grenzen wiederherstellen“. Den Euro will die FN-Chefin aufgeben und zum Franc als nationale Währung zurückkehren. Für Unternehmen soll es aber eventuell möglich sein, in einer „Gemeinschaftswährung“ zu handeln.

Emmanuel Macron hingegen sieht die Zukunft Frankreichs in einem weiterhin vereinten Europa. Er macht sich sogar für eine Vertiefung der europäischen Integration stark. So will der 39-Jährige einen Haushalt, ein Parlament und einen Finanzminister für die Eurozone. Zusammen mit Deutschland will der überzeugte Pro-Europäer außerdem die gemeinsame europäische Verteidigungspolitik stärken. Er schlägt einen europäischen Verteidigungsfonds für gemeinsame Rüstungsausgaben vor.

WIRTSCHAFT

Wie Frankreich wettbewerbsfähiger gemacht werden kann, hat der französische Ex-Wirtschaftsminister Macron ziemlich genaue Vorstellungen. Grundlage seiner Politik ist ein umfassendes Reformpaket. Macron will bei den Staatsausgaben binnen fünf Jahren 60 Milliarden Euro einsparen und dazu unter anderem 120.000 Stellen im öffentlichen Dienst streichen. Zugleich sollen Unternehmen bei Steuern und Abgaben entlastet werden. So soll die Unternehmenssteuer von 33,3 auf 25 Prozent sinken. Macron will zwar sparen, zugleich aber mehr in Zukunftssektoren investieren. Ihm schwebt ein 50 Milliarden Euro schwerer Investitionsplan vor. Der Großteil davon - jeweils 15 Milliarden Euro - soll in die berufliche Aus- und Weiterbildung und in die Energiewende fließen.

Marine Le Pen ist im Bereich Wirtschaft wenig konkret, setzt aber auch in diesem Bereich auf Abschottung. Sie handelt nach dem Motto „Frankreich zuerst“ und will in der Verfassung das Prinzip der „nationalen Priorität“ verankern - Franzosen sollen den Vorzug etwa bei Arbeitsplätzen und Sozialwohnungen erhalten. Französische Unternehmen sollen durch „intelligentem Protektionismus“ vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden.

RENTE UND ARBEITSMARKT

Marine Le Pen hat sozialistische Ansätze in ihrem Programm zu Rente und Arbeitsmarkt. So soll die Rente mit 60 für alle Franzosen eingeführt werden, die 40 Jahre lang Beiträge gezahlt haben. An der 35-Stunden-Woche will sie grundsätzlich festhalten, einzelne Branchen sollen aber längere Arbeitszeiten aushandeln können. Die umstrittene Arbeitsrechtsreform der Sozialisten, die einen gelockerten Kündigungsschutz vorsieht, soll kassiert werden.

Auch hier unterscheidet sich ihr Rivale deutlich. Macron will die 35-Stunden-Woche weiter lockern und Unternehmen und Gewerkschaften mehr Raum geben, über die Arbeitszeiten zu verhandeln. Die Arbeitslosenversicherung soll für Selbstständige, Unternehmer und Landwirte geöffnet werden, außerdem für Angestellte, die von sich aus gekündigt haben. Zugleich soll der Druck auf Arbeitslose erhöht werden, angebotene Jobs anzunehmen. Außerdem sollen die umstrittenen Sonderrenten für Beamte und Mitarbeiter von Staatskonzernen abgeschafft werden. An dem Vorhaben war Mitte der 90er Jahre eine konservative Regierung gescheitert. Das Renteneinstiegsalter und die Höhe der Bezüge will er nicht antasten.

SICHERHEIT

Innere Sicherheit heißt für Marine Le Pen vor allem Kampf gegen den Islamismus. Sie will ausländische „Gefährder“ abschieben, Moscheen mit radikalen Predigern schließen und Vorstädte mit hoher Kriminalitätsrate „entwaffnen“. Zudem plant sie, 15.000 Polizisten einzustellen und 40.000 Plätze in Gefängnissen zu schaffen. Das Strafrecht soll nach dem Motto „Null Toleranz“ verschärft werden.

In Zeiten des Terrors setzt natürlich auch Macron auf das Thema Sicherheit – ohne allerdings in die von Le Pen gewohnte Hetze gegen die Einwanderer zu verfallen. Nach seinem Willen sollen 10.000 Polizisten eingestellt und 15.000 Gefängnisplätze geschaffen werden. Außerdem will er eine Nachbarschaftspolizei einführen, um das Sicherheitsgefühl in den Stadtvierteln zu erhöhen.