Die Bürokauffrau Melanie Schulz aus Drackenstein fährt in ihrer Freizeit Rallyes – und opfert dafür sogar ihren Jahresurlaub.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Heidenheim - Melanie Schulz steht vor der geöffneten Fronthaube ihres Opel Adam. Sie erzählt Gästen des Autoherstellers etwas über den Motor. Am Heck des Fahrzeugs wartet ihre Co-Pilotin Natalie Braun. Die wiederum spricht darüber, wie sich die „Melli“ auf der Strecke so anstellt. „Manchmal denke ich mir, sie könnte etwas mehr Gas geben, aber es gibt auch Momente, in denen es ziemlich eng wird.“ Da könnte Melanie Schulz dann etwas zaghafter zu Werke gehen, denn am Streckenrand stehen oft nur Bäume.

 

Die Gefahr fährt mit – Schulz und vor allem ihre Beifahrerin wissen das. Sie starten beim ADAC-Rallye-Masters innerhalb der Deutschen Meisterschaft, zuletzt stand die Baden-Württemberg-Rallye bei Heidenheim auf dem Plan. Es ist üblich, dass im Rundstreckensport wie etwa der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft Frauen mitfahren – zuletzt recht erfolglos. Im Rallyesport sind Frauen dagegen eher selten. Deshalb ist Melanie Schulz auch die einzige innerhalb der Adam-Serie.

Im Opel-Zelt von Heidenheim gibt es Zander, eingewickelt in geräucherten Schinken, dazu ein üppiges Salatbüfett. Nachdem sich Melanie Schulz am Abend vor der ersten Wertungsprüfung gestärkt hat, spricht sie von ihrem Heimspiel. Sie lebt in dem allen A 8-geplagten Autofahrern durchaus bekannten Drackenstein. Das ist nicht weit weg. Aufgeregt ist sie aber nicht. Von den Männern lässt sie in dieser Saison immer gut eine Handvoll hinter sich. In Heidenheim bestätigte sich dieser Trend, sie landete auf Gesamtrang 37 von 43 gewerteten Fahrzeugen. In der ADAC-Serie selbst will sie sich im Mittelfeld etablieren, um später den Angriff zu wagen auf das obere Drittel des Tableaus.

Sind Männer frustriert, wenn eine Frau schneller ist? „Ich hoffe doch“, sagt Melanie Schulz und lächelt. Im Prinzip aber hält sie ihren Kollegen zugute, dass sie ihr keine Sonderrolle geben. Sie nehmen sie auf „wie eine ganz normale Konkurrentin“. Schulz selbst konnte sich ja auch nicht aussuchen, ob sie sich lieber einer Gymnastik-Tanzgruppe anschließt, Volleyball spielt – oder eben mit Tempo 100 über Schotterpisten rast.

Der Weg musste ins Auto führen. „Mein Vater war Rallyefahrer, mein Bruder fuhr Rundstreckenrennen – ich habe also nichts anderes gesehen und bin sozusagen mit dem PS-Virus infiziert“, sagt Schulz. Sie ist zwar mit Öl an den Fingern und Motorengeheul aufgewachsen, doch ihrer Mutter wäre es lieber gewesen, sie hätte sich für einen anständigen Sport entschieden. „Sie hat immer ein bisschen Angst“, sagt Melanie Schulz.

Seit sechs Jahren ist Schulz im Rallyesport nun schon dabei. In ihrer zweiten Saison legte sie einmal das Auto ab – die blonde Schwäbin spricht von einem Purzelbaum. Was harmlos klingt, kann üble Folgen haben, doch ist es noch mal gut gegangen. Die Gefahren bewertet sie ohnehin mit dem branchenüblichen Satz, wonach man sich ja auch beim Fußballspielen oder im Straßenverkehr verletzen könne. Nach Ansicht des alten Gallier-Häuptlings Majestix kann einem aber auch der Himmel auf den Kopf fallen, wenn es dumm läuft.

Melanie Schulz wird mit ihrem Rallyesport nicht reich – im Gegenteil. Ihr etwa 25 000 Euro teures Auto, Reisekosten und Mechaniker werden mit Hilfe des Hauptsponsors Avia und einigen regionalen Geldgebern finanziert. Innerhalb einer Saison muss die 25 Jahre alte Pilotin aber immer auch ein bisschen an ihr Erspartes ran.

Das ist ein hoher Preis für Platz 37 in Heidenheim, einer, den man nur zahlt, wenn Leidenschaft im Spiel ist. Außerdem opfert die bei einem Haushaltswarenhersteller beschäftigte Bürokauffrau für die Rallye-Wochenenden ihren kompletten Jahresurlaub. „Richtig frei“, sagt Melanie Schulz, „habe ich nie“.

Dass Rallyepiloten die besseren Autofahrer sind im Vergleich zu den Formel-1-Kollegen – auch davon hat sie irgendwann schon einmal gehört. Würde Michael Schumacher im Rallyeauto gegen sie keine Chance haben? Da lächelt die Frau aus Drackenstein ein bisschen verlegen und sagt lieber nichts – denn mit dem großen Schumi legt man sich einfach nicht an. „Er müsste es halt mal probieren“, sagt Melanie Schulz. Es klingt wie eine Einladung.