Kultur: Tim Schleider (schl)

Unabhängig von diesen Marktregeln braucht aber jede Gesellschaft auch eine Vorstellung von Gerechtigkeit und sozialem Fortschritt, der deutlich über das hinausgeht, was durch gute Deals zu erreichen wäre. In allen freien Gesellschaften stellen sich soziale Fragen, die politische Aktionen erzwingen. Akute Nöte einzelner Gruppen müssen mit öffentlichen Mitteln gelindert, Bedürftige unterstützt werden. Mindestens genauso wichtig ist dann aber auch der Folgeschritt: Eine freie Gesellschaft muss sich als Ziel vor Augen stellen, dass sie niemand aus ihren Reihen vorsätzlich abschreibt oder ausgrenzt, dass sie sich öffnet für den Beitrag und das Engagement möglichst vieler, idealerweise aller.

 

Als Amerika in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts unter der Weltwirtschaftskrise litt, gab es einen amerikanischen Präsidenten, Franklin D. Roosevelt, der eine ganz eigene, für amerikanische Verhältnisse radikal neue Vorstellung von Deal entwickelte, um sein Land aus der Depression zu holen – einen „New Deal“. Aus drei Säulen bestand sein Programm: aus „relief“, also Erleichterung für die akut Notleidenden, aus „recovery“, Anreizen des Staates für die Wirtschaft zu neuem Wachstum, und aus „reform“, stärkeren Regeln für Börsen und Banken, um gesellschaftlich unerwünschten Auswüchsen der freien Wirtschaftskräfte künftig Einhalt zu gebieten. Nicht, dass Roosevelts „New Deal“ damals alle Probleme gelöst hätte. Entscheidend ist das Konzept, das sich hier ausdrückt – und das offenkundig im Kern weit westlicher geprägt ist als Donald Trumps „Art of Deal“.

Der Staat ist ganz sicher nicht dazu da, seine Bürger zum Glück zu zwingen, denn dazu bräuchte er ja eine Definition von Glück, also eine Ideologie. Es geht auch nicht darum, dem Einzelnen alle Sorgen seiner Existenz abzunehmen, so wie es sich manche linke Konzepte umfassender Staatsfürsorge so gern ausmalen. Diese Fürsorgekonzepte klingen zwar großzügig gegenüber dem Bürger, sind aber letztlich auch nur Steuerungsinstrumente von oben verordneter Glücksideen. Nein, der Staat soll den Bürger nicht mit Glück versorgen, sondern ihn in die Möglichkeit versetzen, selbst nach Glück zu streben. Erleichterung, Spielregeln, Anreize – daraus ist ein schlüssiger politischer Dreiklang zu komponieren. Deals als politisches Modell, das klingt rationell. Aber es ist nicht rational.