In seinem Heimatkrimi „Die reichen Leichen“ spielt der Regisseur Dominik Graf virtuos mit Starnberg-Klischees. Der Film läuft am Samstag, 20.15 Uhr, im Bayerischen Fernsehen.

Stuttgart - Die Wasserleiche hat einen adipösen Körper, schlechte Zähne, trägt ein eigentümliches Gewand und liegt genau da, wo 1886 Ludwig II. ins Wasser ging. Zufall kann das kaum sein, also muss es sich bei dem Toten um einen Wiedergänger des „Kini“ handeln. Und dann ist auch noch Sisi verschwunden, die wohlstandsverwahrloste Tochter einer schwerreichen Industriellenfamilie. Polizeichef und bayerisches Urviech Lu Reinhold und Polizeimeisteranwärterin Ariane Fink, die gerade aus Dortmund in den Süden gezogen ist, ermitteln nun gemeinsam mit Hauptkommissar Timo Senst, der den Märchenkönig verehrt – und treffen auf Verschwörungstheoretiker und sonstige Verblendete. Sie streifen durch Landschaften von mythischer Schönheit und werden schließlich mit den Abgründen der ufernah wohnenden Oberschicht konfrontiert.

 

Hat es Dominik Graf Spaß gemacht, in dem Heimatkrimi „Die reichen Leichen“, der am Samstag im Bayerischen Fernsehen läuft, mit den Kitschbildern zu spielen, die man mit dem Starnberger See verbindet?

Kalifornisches am Starnberger See

Der Regisseur so spannender Thriller wie „Die Sieger“, so knallharter Serien wie „Im Angesicht des Verbrechens“ und so zarter Liebesgeschichten wie „Die geliebten Schwestern“ – der Film kämpft im Frühjahr für Deutschland um den Oscar – antwortet bei einem Gespräch in den Münchner Käferstuben fast enthusiastisch. „Ich hatte schon immer Lust, über den Starnberger See etwas Kalifornisches zu machen. Die Goldküste, das Wasser, die Natur, das Geld, die Einsamkeit – und auf der anderen Seite die Stadt Starnberg, ein soziales Sammelsurium, wo die Schichten schroff aufeinanderprallen“, sagt er.

Sathyan Ramesh, der neben ihm sitzt, habe er sich als Autor gewünscht, weil der in Nordrhein-Westfalen lebende Sohn eines Inders und einer Deutschen „im Süden ja Tourist ist und bestätigen kann, dass die Klischees stimmen“. Mit exotistischem Blick und deftigem Humor habe Ramesh auch sofort die Kini-Geschichte ins Spiel gebracht, wobei er vor Ort die Erfahrung machte, dass es dort tatsächlich Ludwig-Experten gibt: „Menschen, die in lebenslanger Selbstaufopferung recherchieren, um einen Mord an jemandem zu beweisen, der seit über hundert Jahren tot ist und den sie aufrichtig lieben“, erklärt der vielfach ausgezeichnete Ramesh. Also Menschen wie der Lehrer Josef Haufferding, gespielt von Eisi Gulp, dessen Frau am Ende stöhnt: „Wir führten eine Ehe zu dritt“. Oder wie der Polizist Heino, der zu jenen Anhängern des Ertrunkenen gehört, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.

Mit berührend kuriosen Dialogen

Wie in vielen Filmen von Dominik Graf spielt die Topografie in „Die reichen Leichen“ eine große Rolle. „Der Ort ist manchmal fast wichtiger als die Figuren. Jeder Polizeithriller, den ich gedreht habe, ist per se schon ein Heimatkrimi, ob ,Tatort’ oder ,Polizeiruf’“, sagt der Regisseur, „egal, ob er in Berlin spielt oder in Bayern“. Untermalt hat der frühere Musikwissenschaft-Student seinen Film mit zum Kini passenden Klängen, unter anderem mit Wagners „Lohengrin“. Und den Rest in diesem im guten Sinne eigenartigen Werk besorgen, neben berührend kuriosen Dialogen, die grandiosen Schauspieler, für die Dominik Graf einfach ein Händchen hat. Andreas Giebel und Annina Hellenthal glänzen in den Hauptrollen; Florian Stetter, gerade noch der glühende Schiller in den „Geliebten Schwestern“, spielt den versponnenen Ermittler; Hannes Jaenicke treibt sein Unwesen als geschiedener Gatte einer Millionärin.

Und? Wird es weitere Starnberg-Krimis geben? „Das ist eine etwas tragische Frage, denn eigentlich war das Ganze als Reihe gedacht. Aber jetzt stellt der BR offensichtlich die Heimatkrimis ein – oder schiebt die Erfolgsteams zur ARD-Produktionsfirma rüber“, sagt Dominik Graf und sieht dabei nicht glücklich dabei aus. Übrig bleiben werde dann wohl nur „der Wurstsalat-Kommissar“ Kluftinger aus dem Allgäu. Also künftig kein Platz mehr für schräge Kunststücke von originellen Köpfen? Vergisst der erfolgreiche Münchner Sender vor lauter kostspieligem Aufbruch in die neue Welt der Trimedialität, was ihn unter anderem groß gemacht hat? Das wäre eine schlechte Nachricht von der Isar.

Samstag,
Bayerisches Fernsehen, 20.15