Wenn die letzte Bahn das Volksfestpublikum nach Hause gebracht hat, beginnt die Arbeit der S-Bahn-Reiniger. Ein Besuch in Plochingen, wo jede Nacht 30 Wasen-verdreckte Züge einrücken.

Stuttgart - Was Frank Grabig erwartet, wenn er den Türöffner drückt und sich die S-Bahn-Türen dann langsam zur Seite schieben, weiß er nicht. Er kann es nur ahnen, schließlich ist er im sechsten Jahr als Ablaufplaner in der Bahn-Reinigung in Plochingen eingesetzt und hat schon viel gesehen, gerochen und geputzt. Jede Nacht, wenn die S-Bahnen die letzten Fahrgäste in der Region Stuttgart sicher an ihre Zielbahnhöfe gebracht haben, rücken 30 Züge im Werk Plochingen ein und werden dort gereinigt. In den 17 Tagen während des Cannstatter Volksfestes ist diese Arbeit für die Reinigungskräfte eine besondere Herausforderung. „Es kommt eigentlich nie vor, dass wir einen Zug reinbekommen, in dem nicht irgendwelche flüssigen Körperinhalte zu finden sind“, sagt Grabig, während sich die S-Bahn-Tür öffnet.

 

Wenn die Bahnen in Plochingen einfahren, haben sie über den Tag verteilt schon einige Reinigungen hinter sich. An den Endhaltestellen werden während des laufenden Betriebs sogenannte Wendereinigungen vorgenommen: Ein Mitarbeiter der Reinigungsfirma beseitigt Abfälle von den Sitzen, Fußböden und Ablagen. Während des Volksfestes werden am Hauptbahnhof zusätzliche Mitarbeiter in den S-Bahnen eingesetzt, die starke Verschmutzungen sofort beseitigen – während der Fahrt und während sich die zumeist jugendlichen Volksfestbesucher ihres Abfalls weiter entledigen. Besonders häufig bleiben Flaschen in den S-Bahnen zurück, sagt Grabig: „Einmal haben wir rund 200 Flaschen aus einem Zug gesammelt.“ In einem Glascontainer werden sie entsorgt, Pfand dürfen die Mitarbeiter nicht einsammeln.

Mischung aus Dönerfleisch und Magensäure

Die Luft, die Frank Grabig dieses Mal entgegenschlägt, ist verbraucht und stickig. Es ist eine Mischung aus Döner und Magensäure, aus Bier und Tabak, manchmal weht eine süßlich-klebrige Fahne von Sektmischungen dazwischen, dessen Reste auf dem Boden verschüttet wurden. Es ist kurz nach ein Uhr in der Nacht zu Sonntag. Auf dem Boden liegt eine zertretene VfB-Stadionzeitung, an einer Scheibe klebt ein Mönchengladbach-Aufkleber. Den abzureißen ist Chefsache. Grabig wartet dafür nicht auf seine fünf Mitarbeiter, die in dieser Nacht die Züge von innen reinigen.

20 Minuten haben sie dafür Zeit. Die Männer sind ein eingespieltes Team. Der erste geht durch den Zug und sammelt den gröbsten Müll ein, öffnet dabei die kleinen Abfalleimer, die unter den Fenster angebracht sind. Wenn es gut läuft, findet er dort Essensreste, Asia-Nudeln oder Dönerfleisch mit Pommes meistens. Die Wahrscheinlichkeit, dass es weniger gut läuft, ist allerdings höher: Dann findet er dort Essensreste, die zwar einst den Weg in den Magen gefunden hatten, die sich dort aber zum Verdauen nicht lang genug aufgehalten haben. Mindestens an einer Stelle pro Zug seien diese unverdauten Mageninhalte zu finden – aber eher häufiger, sagen die Männer vom Reinigungstrupp.

Die Arbeit läuft im Akkord: Der zweite Mann sprüht den Boden ein, mittlerweile ist eine weitere Reinigungskraft damit beschäftigt, die Fenster und Scheiben in der Bahn zu putzen. Der vierte wischt den Boden mit einem Wischmopp nach, der letzte bürstet die Polster ab. Nach 20 Minuten erinnert nichts mehr daran, dass die Bahn noch vor Kurzem von Fußballfans und Volksfestbesuchern belagert wurde. Es riecht nach Reinigungsflüssigkeit – zwar auch beißend, aber wesentlich angenehmer als noch vor einigen Minuten.

Fahrgäste verschlafen ihre Haltestellen

Diese Nachtschicht in Plochingen ist besonders stressig. Die S-Bahnen treffen verspätet im Werk ein. Wieder einmal ist ein Luftballon in die Oberleitung gekommen, wieder einmal hat der Vorfall den Fahrplan durcheinandergebracht. Eine Stellwerk-Störung hat ihr Übriges dazu getan. Immerhin: in dieser Nacht ist kein Fahrgast im Werk in Plochingen aufgewacht, weil er seine Station verschlafen hatte. „Das passiert hier aber regelmäßig, nicht nur zur Volksfestzeit“, sagt Frank Grabig.

Sollte etwas in den Zügen kaputt sein, werden die Fahrzeuge aus dem Verkehr genommen und nebenan in der Werkstatt repariert. In dieser Nacht ist das nicht nötig. Die S-Bahnen verlassen am Morgen alle wieder gereinigt das Plochinger Werk. Schmutzig ist dabei nichts mehr. „Wir können alles, wir kriegen alles“, sagt Frank Grabig, aber: „’ne große Sauerei ist es zur Volksfestzeit schon.“