Der „Tatort“ kommt mit neuen Folgen aus der Sommerpause. Zum Auftakt am Sonntag ermitteln die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk: In „Durchgedreht“ wird die Familie eines Steuerprüfers ermordet.

Stuttgart - Erst die Fußball-EM, dann die Tour de France und schließlich die Olympischen Spiele in Rio: Sportfans kamen diesen Sommer wahrlich nicht zu kurz. Wer hingegen im Fernsehen lieber Polizisten bei der Wahrheitsfindung als Athleten beim Gewichtheben sieht, hatte in den vergangenen Wochen nicht ganz so ein Überangebot zur Auswahl – der „Tatort“ hatte Sommerpause, zu sehen waren ausschließlich Wiederholungen. Diesen Sonntag, ARD, 20.15 Uhr, aber geht es weiter mit neuen Fällen.

 

Den Anfang machen die Kölner Ermittler Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär): „Durchgedreht“ erzählt vom Steuerprüfer Sven Habdank (Alexander Beyer), in dessen Leben unvermittelt der Horror Einzug hält: Während der Beamte auf einem Fortbildungsseminar ist, werden seine Frau und sein Sohn zuhause ermordet. Nur seine Tochter Anna überlebt das Verbrechen, weil sie sich im Keller versteckt hat. Möglich, dass das Mädchen den Mörder gesehen hat und damit eine Zeugin wäre – nur ist die Kleine traumatisiert und deswegen nicht vernehmungsfähig.

Und wieder ruft die Kölner Wurstbude

Bei den Ermittlungen geraten die beiden Kommissare immer wieder aneinander. Ballauf vermutet, dass der Täter aus dem unmittelbaren Umfeld kommt – womöglich war es der Ehemann und Vater selbst? –, was ja, statistisch betrachtet, nicht unplausibel wäre. Familienmensch Schenk sträubt sich aber gegen derlei Erwägungen, zumal der Beruf des Steuerfahnders nicht zu den populärsten zählt, es also durchaus möglich wäre, dass es sich bei dem Mord um den Racheakt eines Delinquenten handelt, der zuvor in Habdanks Visier geraten war.

Spektakuläre Wendungen hat der Kölner Fall nicht parat, dafür wartet er mit witzigen Dialogen auf – und skurrilen Charakteren wie dem schmierigen Investigativ-Journalisten Ole Winthir (Peter Benedict), der als Freiberufler das Kunststück vollbracht hat, ein staatliches Anwesen zu bewohnen. Winthir darf bei seiner Vernehmung wortreich erläutern, warum er das Konzept des Steuerstaats im Großen und Ganzen doof findet. FDP-Wähler werden sich hier womöglich wiederfinden, Ballauf bringen die Ausführungen des Reporters zumindest ins Grübeln. Wie immer rackert überdies der Assistent Tobias (Patrick Abozen) unermüdlich im Hintergrund, und wie immer bekommt er für seine Recherchearbeit viel zu wenig Anerkennung vom Ermittlerduo, das – Til Schweiger wird’s freuen – in einer Szene wieder an der Wurstbude herumlungert.

Originelleres hat man sich in Stuttgart einfallen lassen, wo am nächsten Sonntag (28. August) ermittelt wird. Der neue Fall von Sebastian Bootz (Felix Klare) und Thorsten Lannert (Richy Müller) trägt den Unkonventionelles verheißenden Titel „HAL“, eine Reminiszenz an den Supercomputer „HAL 9000“, von dem Stanley Kubricks Science-Fiction-Klassiker „2001 – Odyssee im Weltraum“ erzählt.

Vordergründig geht es im neuen Stuttgarter „Tatort“ um eine ermordete Schauspielschülerin, die im Nebenjob bei einem Online-Escortservice gearbeitet hat. Dieser Plot nutzt der Autor und Regisseur Niki Stein, der auch schon das Bauprojekt Stuttgart 21 ins Zentrum eines „Tatorts“ gestellt hat, um Chancen und Risiken der digitalen Datenerfassung zu thematisieren – also das, was seit geraumer Zeit unter dem Schlagwort „Big Data“ diskutiert wird. Die Tote war nämlich Probandin eines bahnbrechenden Programms, das eine Software-Firma namens Blue Sky entwickelt hat, um auf der Basis gesammelter Daten künftige Verbrechen vorhersagen zu können – ein bisschen also wie in Philip K. Dicks Kurzgeschichte „Minority Report“, die Steven Spielberg vor einigen Jahren verfilmt hat.

Menschenhändler in Wien

Anfang September geht es dann in Wien weiter. In „Die Kunst des Krieges“ haben es Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seine Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) mit einem grausigen Mordfall zu tun: Einem türkischen Geschäftsmann ist bei lebendigem Leib die Zunge und beide Hände amputiert worden, ehe er umgebracht wurde. Man muss kein diplomierter Kriminologe sein, um hier das organisierte Verbrechen am Werk zu vermuten. Tatsächlich ergeben die Ermittlungen rasch, dass der Ermordete Teil eines Menschenhändlerrings war und sein Geld mit Zwangsprostitution verdient hat. Eisner und Fellner bekommen es schließlich mit dem Zuhälter Andy Mittermeier (Michael Fuith) zu tun, der sich als skrupelloser Gegenspieler für die beiden Polizisten erweist.

Größere Umbrüche kündigen sich derweil beim Dortmunder „Tatort“ an. Bei der Vorpremiere von „Zahltag“, dem jüngsten Fall der Kommissare Faber (Jörg Hartmann) und Kossik (Stefan Konarske), kündigte Konarske seinen Ausstieg an. 2017 werde er das letzte Mal als Partner von Jörg Hartmann zu sehen sein. Der Grund: Konarske lebt seit einigen Jahren in Paris und will jetzt dort Theater- und Filmprojekte realisieren.

Dortmund-Tatort macht keine Kompromisse

„So sehr wir Stefans Ausstieg auch bedauern, er gibt uns Gelegenheit, manches auf die Spitze zu treiben und keine Kompromisse machen zu müssen“, sagt der WDR-Redakteur Frank Tönsmann, der den Dortmunder „Tatort“ mitentwickelt hat. Das klingt so, als dürften sich die Zuschauer mittelfristig auf sehr aufregende Entwicklungen rund um das Ermittlerteam aus dem Ruhrpott einstellen. Am 9. Oktober wird Konarske allerdings noch wie gehabt in Dortmund einen neuen Fall untersuchen – in „Zahltag“ verfolgen die Polizisten um den angeknacksten Faber eine Spur, die ins Rocker-Milieu führt.

Ein Jubiläum steht im Spärtherbst an: Dann nämlich wird der 1000. „Tatort“ zu sehen sein. Maria Furtwängler als Kommissarin Charlotte Lindholm aus Hannover und Axel Milberg als ihr Kieler Kollege Klaus Borowski ermitteln in dem Jubiläums-Krimi gemeinsam. Der Titel lautet „Taxi nach Leipzig“ – ganz genau so, wie der allererste „Tatort“ aus dem Jahr 1970.