Früher hat sie türkische Kopftuchmädchen gespielt. Inzwischen castet man Proschat Madani, die Perserin mit österreichischem Pass, auch als Karrierefrau. Die StZ-Autorin Antje Hildebrandt ist ihr begegnet.

Berlin - Eine Schönheit wie aus Tausendundeiner Nacht. Sie steckt in einem Anzug, wie ihn Frauen tragen, die das ganz große Rad drehen. Üppige dunkle Locken rahmen ein Gesicht, das wie geschaffen ist für die Kamera, weil es seismografisch jede noch so kleine Erschütterung ihrer Seele erfasst. Doch das, was als Erstes im Gespräch mit ihr auffällt, das ist ihr österreichischer Akzent.

 

Wenn sie das „ä“ dehnt oder am „ch“ hängenbleibt, schafft sie eine Distanz, die sie erst durch ein Augenzwinkern wieder aufhebt. Und man versteht, warum ihr erstes Vorstellungsgespräch als Fernsehschauspielerin bei einer bekannten Casterin mit einer niederschmetternden Prognose endete. „Frau Madani, Sie sind ein interessanter Typ. Aber ich sage Ihnen eines: für Ihren Typ gibt es keinen Markt.“

Proschat Madani, 1967 geboren als Tochter iranischer Eltern, aufgewachsen in Wien, seit nunmehr zehn Jahren zu Hause in Berlin. Die Schauspielerin erzählt diese Anekdote so beiläufig, als rede sie über eine dritte Person. Sie sitzt im Café Stulle am Savigny-Platz in Charlottenburg, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, ein Smartphone in den Händen.

Es ist ihr zweites Wohnzimmer, licht und rustikal möbliert, nur wenige Meter von ihrer Wohnung entfernt. Oft trifft man sie hier nicht. Die Absage der Casterin liegt fast zwanzig Jahre zurück. Die Schauspielerin, die in keine Schublade zu passen schien, sie ist heute viel beschäftigt.

„Suche Heimat, biete Verwirrung“ heißt ihre Autobiografie

Gerade hat sie der Österreichische Rundfunk (ORF) für die Krimiserie „Cop Stories“ gecastet: als Integrationsstadträtin. Sie spricht das Wort aus, als sei es der  Name eines Krankheitserregers. Sie schmunzelt. Es entbehrt nicht der Ironie, dass ausgerechnet sie zugereisten Bürgern helfen soll, sich in Wien „dahaam“ zu fühlen. Warum, versteht man, wenn man ihre Biografie gelesen hat. Sie ist soeben im Südwest Verlag erschienen: „Suche Heimat, biete Verwirrung. Mein persisch-deutsch-österreichisches Leben“ (18,99 Euro). Das Buch ist keine leichte Kost. Es geht ums Abreisen und Ankommen. Um die Suche nach etwas, das man Heimat nennt. Wer will, kann es als Appell ans Fernsehen verstehen, Schauspieler nicht in Schubladen zu sperren. Die Geschichte der Proschat Madani zeigt, dass es möglich ist. Sie hat sich freigespielt, vom türkischen Kopftuchmädchen zur Karrierefrau, die keiner nach ihrer Herkunft fragen würde, weil das a) piefig ist und sich das b) auch bei einer Frau verbietet, die angekommen ist als Staatsanwältin, Medizinerin oder Unternehmerin.

Privat hat sie für Machos nichts übrig

Die Polizeipsychologin Tanja Haffner aus der Sat-1-Serie „Der letzte Bulle“ ist auch so eine Figur. Eine Ermittlerin, die so leicht keiner aus dem Konzept bringt, höchstens ihr Kollege Mick (gespielt von Henning Baum) – Vertreter einer Spezies, vor der sie ihre iranische Mutter immer gewarnt hat. Der Macho.

Im richtigen Leben käme so einer als Partner nicht infrage, sagt die alleinerziehende Mutter einer Tochter und lacht. Beruflich macht sie da schon mal eine Ausnahme. Zwischen Mick und ihr knistert es. Ihre On-and-off-Beziehung ist das i-Tüpfelchen dieser Krimiserie. Sie zeigt die beiden Alphabullen von ihrer verletzlichen Seite. 2012 gewannen sie dann den Deutschen Fernsehpreis für die Serie.

Ein Mädchen mit Brille, das kein Wort Österreichisch spricht

Fotos von der Preisverleihung zeigen eine vor Glück strahlende Gewinnerin. Es fällt schwer, darin die Frau aus ihrem Buch zu erkennen. Ein Mädchen mit einer großen Brille, das in der Grundschule nicht den Mund aufbekommt, weil es kein Wort Österreichisch spricht. Im Wien der siebziger Jahre ist sie, geboren 1967 im Iran, die einzige Ausländerin in der Klasse. Sie sagt, sie habe dort eine Lektion fürs Leben gelernt – ihre Herkunft zu verleugnen.

Der Drang, sich anzupassen

Eine Jause – die österreichische Bezeichnung für Pausenbrot –, welche nach Knoblauch riecht. Eine Lehrerin, die sich vor der Klasse darüber lustig macht, dass das Mädchen auf das Gymnasium wechselt. Eine Kollegin, die Proschat Madani „Prosciutto“ nennt – das italienische Wort für Schinken. Solche Erlebnisse fallen ihr ein, wenn man sie fragt, woher er rührt, ihr Drang, sich anzupassen. Warum sie ausgerechnet Schauspielerin geworden ist. „Ich hatte das Gefühl, wenn ich so, wie ich bin, nicht richtig bin, dann kann ich in eine andere Figur schlüpfen. Die steht da schon fertig geschrieben“, antwortet Madani. Eine naive Vorstellung, das räumt sie mittlerweile ein. „Wie soll man authentisch sein, wenn man die eigene Andersartigkeit immer für die Andersartigkeit seiner Rollen hintanstellen muss?“

Die Tochter hat ihr die Augen geöffnet

Es war ihre Tochter, inzwischen neunzehn Jahre alt, die sie zwang, ihre Identitätskrise therapeutisch aufzuarbeiten. Sie sagt, in der Pubertät habe ihre Tochter mit Verweigerung auf den Perfektionismus der Mutter reagiert. Dafür sei sie ihrem Kind heute dankbar. „Sie hat mir die Augen dafür geöffnet, dass ich in der Rolle als Möchtegern-Super-Mama nicht glaubwürdig war.“

Die Karrierefrau, die kontrollierter ist, als es das Klischee erlaubt, gibt sie nur noch im Film. Proschat Madani seufzt. Sie sagt, langsam reiche es. Gebrochene Charaktere reizten sie viel mehr. Zum Beispiel Frauen wie die serbische Putzfrau, die sie demnächst in der Kinoverfilmung von Kurt Palms schräger Krimisatire „Bad Fucking“ spielt. Es geht darin um schlechten Sex und ein paar Tote. Es ist der ideale Rahmen, um aus dem Bild zu fallen. Integriert hat sich Proschat Madani lange genug.