Jeder kennt sie, niemand weiß um ihre Bedeutung: Die riesige Schlangenskulptur an der B 27 in Ludwigsburg wurde einst gehasst und wird heute geliebt. Warum nur?

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Aufgefallen ist diese Skulptur vermutlich schon jedem, der einmal über die B 27 durch Ludwigsburg gefahren oder aus der City zum Schloss gelaufen ist – und das dürften ziemlich viele Menschen im Land sein. Von diesen Vielen werden sich manche gefragt haben: Was ist das? Eine Schlange? Was soll das? Was hat sich der Künstler dabei gedacht?

 

Tja, was soll das? Das fragten sich die Ludwigsburger schon, als das Ungetüm im Jahr 1992 auf der Sternkreuzung platziert wurde, und zwar begleitet von heftigster Kritik. Manche fürchteten gar um das Image der Stadt wegen des vermeintlichen Monstrums, geschaffen von dem Niederländer Auke de Vries. Seit 26 thront die Schlange nun auf ihrem 20 Meter hohen Stahlträger, und die Frage nach dem Warum ist nie wirklich abgeebbt. Die Kritik allerdings, falls sie überhaupt noch vorhanden ist, wurde deutlich leiser.

Der Künstler hat sich nie erklärt

Das hat auch Alke Hollwedel registriert. „Die Schlange ist in Ludwigsburg angekommen“, sagt die Leiterin des Ludwigsburg-Museums. „Sie ist ein Wahrzeichen der Stadt geworden.“

Tatsächlich sollte die Skulptur ohne Namen, ursprünglich aufgestellt für das Skulpturenprojekts „Platzverführung“, nur rund ein Jahr auf der zentralen Kreuzung bleiben. Sie gehört der Landesbank und kostete 250 000 Mark, umgerechnet 125 000 Euro, inzwischen ist sie dort nicht mehr wegzudenken. De Vries ist mit abstrakten Figuren und Formen zu einem der wichtigsten Bildhauer der Gegenwart geworden, in Städten wie Amsterdam, Barcelona oder Berlin stehen bedeutende Arbeiten von ihm. Der 1937 geborene Künstler hat nie erklärt, warum er ausgerechnet in Ludwigsburg vom Abstrakten ins Konkrete wechselte. Er selbst gab nur preis, dass er bei einem Rundgang im Ludwigsburger Schloss auf das Motiv gestoßen sei.

Die Kritik ist völlig verstummt

Ein Motiv, das ikonografisch und historisch mit reichlich Bedeutung überfrachtet ist. In der Bibel ist die Schlange gemeinhin das Symbol der Versuchung, der Verführung, des Bösen, aber auch der Klugheit und des Wissens. Was das mit Ludwigsburg zu tun hat, muss jeder Betrachter selbst für sich beantworten, und Hollwedel findet das gut. Das Rätsel, die Kontroverse – gute Kunst rege immer auch zum Nachdenken an, sagt sie. „Das ist ein Zeichen von Qualität.“

Und die Ludwigsburger haben die Schlange inzwischen so lieb gewonnen, dass sie regelmäßig nachschauen, ob es ihr gut geht. Schließlich wirkt das gesamte Gebilde, der Sockel, der Träger, die Astgabel mitsamt Reptil, äußerst fragil. 2006 wurde die Skulptur restauriert. Die zwölf Meter lange und 180 Kilogramm schwere Schlange wurde dafür zu Boden geholt und Auke de Vries kam extra aus den Niederlanden angereist, um sein Kunstwerk wieder aufzufrischen. Für die Kritiker von einst wäre es die ideale Gelegenheit gewesen, die rätselhafte Skulptur an die Landesbank zurückzugeben und die Schlange für immer aus der Barockstadt zu verbannen. Allein: Es gab keine Kritiker mehr.