Ein deutscher Medienwissenschaftler beweist, dass die US-Zeichentrickserie „Die Simpsons“ die politische Meinung von Fernsehzuschauern beeinflussen kann. Nun arbeitet er an einer größeren Studie zu diesem Thema.

Stuttgart - Gelber wird‘s nicht: „Die Simpsons“ treiben seit einem Vierteljahrhundert im Fernsehen ihr Unwesen und sorgen weltweit für Heiterkeit. Doch jetzt hat ein deutscher Medienforscher herausgefunden, dass der verfressene Familienvater Homer und seine gelbe Sippe die zahlreichen Fans der amerikanischen Zeichentrickserie nicht nur zum Lachen bringen, sondern auch Auswirkungen auf die politische Meinung der Zuschauer haben. „Es gibt einen nachweisbaren Effekt. Eine fiktionale Serie wie ‚Die Simpsons‘ kann die politische Einstellung von Leuten beeinflussen“, sagt Carsten Wünsch, Professor für Rezeptions- und Wirkungsforschung an der Universität Bamberg.

 

Der Medienwissenschaftler beschäftigt sich seit Jahren mit dem Einfluss des Fernsehens aufs Publikum und hat jetzt nachgewiesen, dass nicht nur Nachrichten, Talkshows oder Dokumentationen das politische Urteil von Zuschauern maßgeblich beeinflussen können, sondern eben auch fiktionale Filme und Serien wie „Die Simpsons“, „Family Guy“ oder „Lindenstraße“. „Wenn wir politische Entscheidungen treffen, greifen wir auf das Wissen zurück, das wir in unserem Gedächtnis finden. Und in unserem Gedächtnis sind Informationen aus fiktionalen Quellen wie TV-Serien und aus faktualen Quellen wie etwa journalistischer Berichterstattung nicht klar getrennt“, erklärt Carsten Wünsch das Ergebnis seiner Forschungen.

Für eine kleine, aber aussagekräftige Studie zeigte der Bamberger Medienforscher jüngst zwei Testgruppen mit jeweils 34 Personen ausgewählte Folgen der „Simpsons“ und befragte sie anschließend dazu. Der ersten Gruppe wurden Episoden gezeigt, die sich um das Thema Umweltverschmutzung drehen: In einer Folge will die hochbegabte Simpsons-Tochter Lisa einen Wald vor der Abholzung retten, in einer anderen nimmt ihr schusseliger Vater Homer die Abfallentsorgung seiner Heimatstadt selber in die Hand, was dazu führt, dass Springfield schon bald im Müll erstickt. Die zweite Testgruppe bekam Folgen zu sehen, die sich um die Bildungspolitik drehen – unter anderem geht es um einen Lehrerstreik und die in den USA von christlichen Fundamentalisten vorgebrachte Forderung, dass anstelle von Darwins Evolutionstheorie die biblische Schöpfungsgeschichte in der Schule gelehrt werden soll.

Sogar Wahlentscheidungen werden von Serien beeinflusst

Anschließend wurde den Testpersonen ein ausgeklügelter Fragebogen vorgelegt, in dem es unter anderem um die Zufriedenheit mit der Arbeit der deutschen Bundesregierung ging, und siehe da: Für die Befragten der „Umweltgruppe“ spielten die Leistungen der Regierung im Bereich Ökologie eine wesentlich größere Rolle als auf dem Feld der Bildungspolitik. Bei den Mitgliedern der „Bildungsgruppe“ wiederum war es genau anders herum – ein klarer Beweis, dass die entsprechenden „Simpsons“-Episoden die jeweiligen Zuschauer für das behandelte Thema sensibilisierten. „Das hat allerdings weniger mit einer bewusst getroffenen Entscheidung zu tun, sondern spielt sich im Unterbewusstsein ab“, erklärt Wünsch.

Es sei sogar denkbar, dass Serien oder Filme Wahlentscheidungen beeinflussen, meint der Medienexperte. „Dabei muss aber natürlich berücksichtigt werden, dass bei einer Wahl noch zahlreiche andere Faktoren eine Rolle spielen“, betont Carsten Wünsch. Inzwischen arbeitet er schon an einer größeren Studie zum Thema, die dann auch publiziert werden soll. „Die Ergebnisse waren so interessant, dass ich unbedingt weitermachen will“, sagt der Professor aus Bamberg.